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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Fröhlich so zuversichtlich und heiter bleiben und den Schreiern und Zischern noch Handküßchen zuwerfen mochte! Sie war eigentümlich groß in der Niederlage … Nun wendete sie sich halb um, vom Publikum weg, und sagte etwas zum Klavier hinunter. Und jetzt geschah es allerdings, daß ihre wohlaufgelegte, dienstfertige Miene ganz unvorbereitet in eine bittere und böse hinüberglitt, mit einem kleinen Ruck, wie beim Kinematographen. Es schien Unrat, daß sie die Unterredung mit dem Klavier nach Möglichkeit in die Länge ziehe, sich tunlichst weit wegwende. Noch weiter ging es nicht; der Fettfleck auf ihrer Rückseite wäre zur Geltung gekommen … auf einmal schnellte sie ganz munter wieder in die Höhe, raffte ihr grünseidenes Kleid, schwenkte den orangefarbenen Unterrock hoch auf von den Füßen und brach in herzhaftes Trällern aus: »Wail iesch noch so klain uhnd so uhnschuhldiesch bien.«
    Ihr guter Mut ward belohnt, man klatschte, verlangte das Lied von vorn. Als sie türenklappend zurück war in der Garderobe, fragte sie mit kurzem Atem: »Na, was sagen Sie nu? Fein raus, was?«
    Der Schaden war gutgemacht, alle Welt war befriedigt! – nur ganz hinten im Saal, an der Wand neben dem Ausgang, lehnte Lohmann, senkte bleich und fern den Blick auf seine verschränkten Arme und bedachte, daß seine Verse, seine unter dem Lachen von Gemeinen in die dunklen Straßen entflohenen Verse, nun zittertnd auf nächtlichen Luftwellen unterwegs seien zum Fenster eines Schlafzimmers, daß sie ganz schwach dagegenpochen würden, und daß drinnen niemand es hören würde …
    Die dicke Guste kam mit Kiepert in die Garderobe. Die Künstlerin Fröhlich legte den Kopf in den Nacken und sagte beleidigt: »Reden Sie mir noch mal zu, ich soll den Stuß singen von dem dummen Jungen!«
    Unrat hörte es, dachte sich aber nichts dabei.
    »Kindchen«, erklärte die Frau, »auf die Leute ist eben kein Verlaß, das weiß man doch. Wenn da nich der Neger gewesen wär, hätten sie geweint, statts daß sie nu gelacht haben.«
    »Natürlich pfeif ich drauf«, sagte die Künstlerin Fröhlich. »Wenn der Professor uns doch natürlich was zu trinken gibt. Was gibt er uns woll zu trinken?«
    Und sie legte, wie gestern, zwei ganz leichte Finger unter sein Kinn.
    »Wein?« riet Unrat.
    »Gut!« sagte sie mit Anerkennung. »Aber was für einen?«
    Unrat war unbewandert in der Weinkarte. Er suchte mit den Augen nach Hilfe, wie ein steckengebliebener Schüler. Kiepert und seine Frau sahen ihn gespannt an.
    »Mit S fängt es an«, sagte aufmunternd die Künstlerin Fröhlich.
    »Schâteau –«, meinte Unrat und schwitzte. Er war nicht Neuphilologe und brauchte nicht zu wissen, wie so ein Kellerausdruck buchstabiert ward. Er wiederholte: »Schâteau –«
    »I wo«, reimte sie … »Nach S kommt e.«
    Unrat fand nicht weiter.
    »Und dann k … Nee, Sie kommen aber auch auf nischt. Das is wirklich auffallend, daß er auf gar nichts kommt.«
    Unrats Miene leuchtete auf einmal von naivem Glück. Er hatte es heraus. »Sekt!«
    »Na gottlob!« sagte die Künsterlin Fröhlich. Auch Guste und Kiepert erklärten die Lösung für richtig. Der Artist ging und machte die Bestellung. Wie er durch den Saal zurückkehrte, trug ihm der Wirt eigenhändig einen großen Kübel voran, woraus zwei Hälse starrten. Kiepert, in Trikot, blies die Backen auf, indes ringsumher Aaah! und Hohoho! gemacht ward.
    Nun ward es heiter in der Künstlergarderobe. Unrat dachte bei jedem Glas, was eingeschenkt ward: dies sei
sein
Wein, in diesen habe Lohmann nichts dreinzureden. Und plötzlich sagte auch die Künstlerin Fröhlich: »Sekt haben Ihre dummen Jungen hier noch nie geschmissen.«
    Ihre Augen kitzelten heftiger.
    »Ich wer’ sie auch nich drum angehn.«
    Da Unrats Ausdruck harmlos blieb, seufzte sie; Kiepert erhob sein Glas.
    »Herr Professor! Denen, die wir lieben!«
    Und er schmunzelte von Unrat zur Künstlerin Fröhlich. Sie murmelte verdrießlich: »Kuchen! Er kommt ja auf nichts.«
    Die dicke Frau mußte sich für ihre nächste Nummer umkleiden; denn dem Gesang folgte nun wieder die Gymnastik. Sie bemerkte: »Das kriegt Herr Professor nu doch nicht vorgeführt, wie ich in den Trikot kriech. Nee, so weit geht die Freundschaft nicht.«
    Sie stellte drei Stühle übereinander, verhängte die Lehnen mit Röcken und begab sich dahinter. In der Höhe genügte die Wand, aber ihre Breite ward überschritten von Gustes Körper. Die andern ertappten jeden Augenblick ein

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