Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
Auftreten in einem den Schülern untersagten Lokal; alles brach hervor, zitternd vor Gewaltsamkeit. Der Ertzumsche mißratene Onkel ward ausgespien, nebst dem ideallosen Gelddünkel der städtischen Patrizier und dem der Trunksucht verfallenen Hafenbeamten, der Kieselacks Vater war.
    Das Gericht war peinlich berührt durch all dies fanatisch Überkochende. Der Staatsanwaltssubstitut richtete höflich entschuldigende Blicke an Konsul Lohmann und Konsul Breetpoot. Der junge Verteidiger beobachtete spöttisch und befriedigt die Stimmung im Saal. Unrat belustigte und empörte.
    Endlich bedeutete ihm der Vorsitzende, der Gerichtshof sei zur Genüge aufgeklärt über des Professors Verhältnis zu seinen Schülern. Unrat pfauchte, ohne zu hören: »Wie lange noch werden diese katilinarischen Existenzen durch die Last ihrer Schändlichkeit den Erdboden, den sie drücken, beleidigen! Diese nun behaupten, die Künstlerin Fröhlich habe an ihren verbrecherischen Orgien teilgehabt. Wahrhaftig: es hat diesen nichts weiter gefehlt, als daß sie die Künstlerin Fröhlich antasteten in ihrer Ehre!«
    Inmitten der Heiterkeit, die seine Worte bewirkten, brach Unrat fast zusammen. Denn was er sagte, entsprach nicht seinem Innersten. Dort war er versichert, die Künstlerin Fröhlich, die er an jenem Wahlsonntag aus den Augen verloren hatte, sei beim Hünengrab gewesen. Noch mehr. Ein fliegender Überblick über bisher nicht gewürdigte Umstände machte ihn atemlos. Die Künstlerin Fröhlich hatte sich immer geweigert, mit ihm auszugehen. All ihre Vorwände, um allein zu Hause zu bleiben, was verbargen sie? … Lohmann …?
    Er stürzte sich von neuem auf Lohmann und rief ihm zu, daß die Macht seiner Kaste eine zu brechende sei! Aber der Vorsitzende forderte ihn auf, an seinen Platz zurückzukehren, und befahl, die Zeugin Fröhlich hereinzurufen.
    Ihr Erscheinen erregte Gemurmel; der Vorsitzende drohte, den Saal räumen zu lassen. Man beruhigte sich; denn sie gefiel. Sie war in ihrem grauen Tuchkostüm von sympathisch-ruhiger Eleganz, hatte sich schlicht frisiert, einen Hut von mäßigem Umfang und mit einer einzigen Straußenfeder aufgesetzt und nur ganz wenig Rot im Gesicht. Ein junges Mädchen äußerte sich zu ihrer Mutter laut darüber, wie das Fräulein schön sei.
    Sie trat unbefangen vor die Richter hin; der Vorsitzende empfing sie mit einer leichten Verbeugung. Auf Antrag des Staatsanwaltssubstituts ward sie unbeeidigt vernommen und erklärte freimütig, mit einnehmendem Lächeln, daß sie allerdings an jener Landpartie teilgenommen habe. Kieselacks Verteidiger glaubte endlich auftrumpfen zu können.
    »Ich mache darauf aufmerksam, daß unter den drei Angeklagten nur mein Klient es war, der der Wahrheit die Ehre gegeben hat.«
    Aber niemand interessierte sich für Kieselack.
    Der Substitut meinte, nun sei die Beeinflussung erwiesen, und für das Delikt, das die beiden jungen Leute aus bloßer, begreiflicher Galanterie auf sich zu nehmen versucht hätten, entfalle die intellektuelle Urheberschaft voll und ganz auf die Zeugin Fröhlich. Kieselacks Verteidiger benutzte die Gelegenheit, um zu bedenken zu geben, wie sehr auch das, er müsse es gestehen, unsympathische Auftreten seines Klienten begründet sei in der Korruption, die der Verkehr mit einer der Klasse der Zeugin angehörigen Frauensperson bei jungen Leuten hervorzubringen wohl geeignet sei.
    »Was sie mit den ollen Hünengrab gemacht haben«, sagte darauf leichthin die Zeugin Fröhlich, »das is mir dunkel und kann es auch bleiben. Ich weiß nur – was nämlich die Korruption betrifft, wovon der Herr gered’t hat –, daß an dem bewußten Sonntagnachmittag einer von den jungen Herrn mir ’n regelrechten Heiratsantrag gemacht hat, und daß ich bedauert hab, nich Folge geben zu können.«
    Man lachte und schüttelte die Köpfe. Die Zeugin Fröhlich hob die Schultern, sah aber keinen der drei Angeklagten an. Auf einmal sagte Ertzum, rot übergossen: »Die Dame hat wahr gesprochen.«
    »Natürlich«, setzte sie hinzu, »war es zwischen mir und den drei Schülern immer streng anständig und beschränkte sich das Ganze, wenn ich so sagen darf, auf Dalberei.«
    Diese Erklärung hatte sie für Unrat bestimmt und suchte ihn, mit einem raschen Seitenblick. Aber er hielt den Kopf gesenkt.
    »Will die Zeugin«, fragte der Substitut, »damit behaupten, daß ihr Verkehr mit den Angeklagten die Grenzen des moralisch Zulässigen in keiner Weise überschritten hat?«
    »In keiner

Weitere Kostenlose Bücher