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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Pastor Quittjens noch lange nicht die Erlaubnis. Die Künstlerin Fröhlich stand über Pastor Quittjens. Sie stand über allen – allein und heilig im Angesicht der Menschheit. Es war gut, daß auf solche Weise Unrat wieder zum wahren Bewußtsein der Dinge kam. Die Künstlerin Fröhlich war ja seine Angelegenheit! Man vergriff sich an ihm selbst, wenn man sich unterstand, sie nicht gelten zu lassen! Seine von Angst durchjagte Tyrannenwut packte ihn, und er mußte sich stützen: wie damals, als das Publikum des Blauen Engels sie ausgelacht hatte. Sie auszulachen, die er eigenhändig geschminkt hatte! Ihre Leistungen zu beanstanden, die er gewissermaßen selber vorführte! Es waren – gewiß nun freilich – keine erfreulichen Leistungen, deren sie sich beim Hünengrab beflissen hatte, und sie hatten Unrat Schmerz gekostet. Das aber hatten nur sie selbst miteinander auszumachen, Unrat und die Künstlerin Fröhlich. Er wollte zu ihr hingehen, er war nicht gesonnen, dies länger zu unterlassen! Er griff zum Hut und hängte ihn wieder hin.
    Sie hatte ihn verraten – immerhin denn wohl. Andererseits war sie so der Weg geworden, der zum Verderben des Schülers Kieselack geführt hatte. Ward sie hierdurch nicht gerechtfertigt? Noch nicht? Wenn sie aber noch andern Schülern – zum Verderben gereichte?
    Unrat blieb stehen, mit gesenktem Kopf, über den eine rote Wolke zog. Seine Rachgier und seine Eifersucht kämpften, indes er sich nicht regte. Endlich hatte die Rachgier gesiegt. Die Künstlerin Fröhlich war gerechtfertigt.
    Und Unrat begann zu träumen von Schülern, denen sie zum Verderben hätte gereichen sollen. Wie schade, daß der Zigarrenhändler vom Markt nicht mehr auf der Schule war; und jener Lehrling, der nicht grüßte, sondern feixte; und alle andern in der Stadt. Ihnen allen hätte die Künstlerin Fröhlich zum Verderben gereichen sollen. Sie alle hätten ihretwegen mit Schimpf und Schande aus der Schule vertrieben werden sollen. Ein andersgeartetes Verderben konnte Unrat sich nicht vorstellen. Auf einen Zusammenbruch, der nicht darin bestand, daß einer aus der Schule vertrieben ward, verfiel er nicht …
     
    Als er bei der Künstlerin Fröhlich anklopfte, trat sie grade selbst, zum Ausgehen fertig, in die Tür.
    »Hu! Da is er! Wenn ich nu nich eben zu dir wollte! Du glaubst es natürlich nich, aber ich will dot hinschlagen, wenn es nich wahr is.«
    »Mag’s denn sein«, sagte Unrat. Und es war die Wahrheit.
    Die Künstlerin Fröhlich hatte, als Unrat sich durchaus nicht mehr blicken ließ, zuerst einfach gesagt: »Na denn nich«, und hatte sich darauf gefaßt gemacht, ihre eigene Wohnung nicht mehr zu beziehen, sondern vom Erlös der geschenkten Möbel noch eine Zeitlang zu privatisieren, um dann, weil das Ehepaar Kiepert anderweitig versorgt und schon abgereist war, ein neues Engagement zu suchen. Sie hatte ihrem alten Unrat weiß Gott die freundschaftlichsten Gefühle entgegengebracht; aber die konnte man einem Menschen ja nicht am Reck vorturnen, und wenn er’s nicht glauben wollte, mußte er’s lassen. Sie hatte ihre Philosophie. Es war viel leichter, einen zu beschwindeln, nachdem man was angestellt hatte, als es einem zu beweisen, wenn man grade mal wirklich unschuldig war. Überhaupt kam man aus dem Versteckenspielen mit gewesenen Dingen nie mehr heraus, wenn ein Mann schon in solchen offenbaren Kindereien wie der Hünengrabgeschichte ein Haar fand und sich einbildete, sie ginge auch nach ihrer Bekanntschaft mit ihm mit all und jedem. Dann war der Alte eben doch ihr Genre nicht. Es kam ja vor, daß einer sich irrte; darein ergab man sich denn. Auf der Straße lief einem manchmal einer nach, halbe Stunden lang, bis er es schließlich riskierte, überholte einen und glupte einen von der Seite an. Da schwenkte er auf einmal ab und tat, als wär er’s nicht gewesen. Unrat hatte sie bisher auch wohl bloß von hinten gekannt, und sobald er sie ins Gesicht zu sehen kriegte, war’s alle. Na laß ihn.
    Wie sie dann die Zeit hingehn sah, sich langweilte und das bare Geld vermißte, überlegte sie, daß es doch zu dumm sei, die Sache einfach so in die Brüche gehn zu lassen. Der Alte schämte sich am Ende bloß, schmollte und wartete, daß sie ihm ’n kleinen Finger hinhielt. Konnte gemacht werden. Er war ja ’n altes Kind, ’n bißchen komisch eigensinnig. Sie dachte daran, wie er den Kapitän aus der Garderobe hinausgesetzt hatte und es deswegen sogar mit Kiepert aufgenommen hatte; und sie

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