Profit
das Mädchen im ganzen Jahr verdient. Ihre Wohnung ist wahrscheinlich kleiner als mein Büro, hat feuchte Wände, tropfende Abflüsse, keine Einbruchssicherung, und die Miete verschlingt ungefähr zwei Drittel ihres Wochenlohns.«
»Ach, und das ist meine verdammte Schuld?«
»Es hat nichts mit…«
»Hör zu, ich bin doch nicht ihre Scheißmutter. Ich hab mir kein Kind in den Zonen machen lassen, damit ich einen Antrag auf Stütze stellen kann. Wenn es ihr hier nicht gefällt, dann soll sie aus eigener Kraft sehen, dass sie rauskommt, wie alle anderen auch.«
Chris sah seinen Freund mit plötzlicher Abneigung an. »Yeah, sicher doch.«
»Genau. Pass auf, Troy ist in den Zonen aufgewachsen, er hat den Absprung geschafft. James geht in sechs Wochen zur Uni, er könnte am Ende mehr Geld verdienen als wir beide zusammen. Also erzähl mir nicht, dass es nicht möglich ist.«
»Und was ist mit Troys Cousine? Die von Dixon und seinen Kumpels vergewaltigt worden ist? Warum hat die es nicht rausgeschafft?«
»Woher soll ich das wissen?« Bryants Ärger sank so schnell in sich zusammen, wie er hochgezüngelt war. Er lehnte sich zurück. »Hör zu, ich will nichts weiter sagen, Chris, als dass einige von uns die Voraussetzungen mitbringen. Und andere eben nicht. Ich meine, wir sind hier nicht in Afrika, dieser Staat hier ist doch keine Horrorshow zu herabgesetzten Preisen. Du musst nicht in den Zonen leben, weil du aus einem bestimmten Stamm kommst oder so. Kein Mensch interessiert sich hier für deine Hautfarbe, deine Religion oder was weiß ich. Alles, was von dir verlangt wird, ist, dass du Geld verdienst.«
»In Dixons Gegend scheinen sie sich für Hautfarben zu interessieren.«
»Ja, aber das ist doch nur Scheißpolitik, Chris. Irgend so ein Madennest von kleinen Lokalpolitikern und ihren Schlägern, die sich eine Machtbasis basteln wollen. Das hat nichts mit dem zu tun, wie die wirkliche Welt funktioniert.«
»Das ist nicht der Eindruck, den Leute wie Nick Makin vermitteln.«
»Makin?«
»Yeah, du hast ihn in der Sitzung gehört. Er ist ein Scheißrassist, deswegen kann er auch nicht mit Echevarria umgehen.«
»Hm, na ja.« Mike grübelte. »Mit Makin muss ich mir vielleicht was einfallen lassen.«
Der Kaffee traf ein. Er war nicht so schlecht, wie Chris erwartet hatte. Bryant trank seinen sofort aus und bestellte noch eine Tasse.
»Wird es eine Ermittlung geben?«, wollte Chris wissen.
»Nee, glaub ich nicht.«
»Wegen der Räuber beim Falkland haben sie dich rangenommen.«
»Ja, das war eine ganz andere Geschichte. Bürgerrechtler, Seite an Seite mit trauernden Familien, mein kleiner Jason war so ein guter Junge, Autos hat er nur gestohlen, weil er sozial benachteiligt war blablabla, solcher Mist halt. Bei Dixon liegt die Sache anders. Da gibt’s ein Programm. Dixons politische Freunde gehören zum Flügel der Globalisierungsgegner. Britannien den Briten, Immigranten raus, scheiß auf Multikulturalismus und nieder mit der Verschwörung des internationalen Finanzkapitals. Das Letzte, was sie im Moment gebrauchen können, ist, dass das alles in die Öffentlichkeit kommt. Die werden den Deckel draufhalten.«
»Aber die Zonenpolizei…«
»Wird bestochen. Die werden irgendeine Mietpolizeifirma anheuern, die die Patronen ausgraben aus Dixons Fußboden und aus dem Pflaster unter dem anderen Stück Scheiße, das wir umgelegt haben, und dann werden sie feststellen, dass es Nemex-Munition ist.« Bryant grinste. »Sie werden ihre Schlüsse daraus ziehen.«
Chris runzelte die Stirn. »Aber können sie daraus nicht jede Menge politisches Kapital schlagen? Die bösen Großkonzerne, von der Leine gelassen? Darauf werden sie bis zum Erbrechen rumreiten.«
»O ja, auf lokaler Ebene, natürlich. Sie werden aus Dixon einen Scheißmärtyrer machen, kein Zweifel. Wenn er überlebt, können sie ihn bei den Geldsammelveranstaltungen der Jungen Nazis im Rollstuhl auf die Bühne stellen, und wenn er stirbt, kann seine weinende Witwe die gleiche Funktion erfüllen. Aber sie werden Shorn nicht öffentlich angreifen. Sie wissen, was wir mit ihnen anstellen würden.«
»Und Dixon?«
Wieder grinste Mike. »Na ja, ich würde sagen, Dixon hat die nächsten sechs Monate erst einmal alle Hände voll damit zu tun, wieder laufen zu lernen. Und falls das überhaupt wieder was wird, hat er ja noch eine Familie und ein zweites Auge, um die er sich sorgen muss, bevor er irgendwelche Dummheiten macht. Außerdem, weißt du was?
Weitere Kostenlose Bücher