Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
aufragende, halb in den Boden versunkene Findlinge und kleine Gruppen von niedrigem Gebüsch und riesigen, knochenästigen Bäumen unterbrochen wird.
    Dunkles Moos, graugrün herabhängende Flechtenbärte, das kalte bräunliche Grau toten Geästes, Flecken von Schnee und Eis. Keine anderen Farbtöne als diese blassen, sterbenden Schattierungen des Winters.
    Zwei Gestalten stemmen sich gegen den Wind. Der Mann legt seinen Arm schützend um die Frau, die ihr Gesicht in einem Wolltuch birgt. Nur ihre Augen, tränend, blinzelnd, trotzen dem Sturm.
    Der Mann hebt die Hand, zeigt auf einen Findling, der vor ihnen auf dem braungrauen Grund liegt. Er scheint jüngeren Alters zu sein als die anderen Felsen, die rund um ihn tief in den Boden gesunken liegen, überwuchert von Gesträuch und bedeckt mit Moos und Flechten. Sein glatter Stein ist kahl, hier und da glänzt eine Ader. Schnee sammelt sich auf seiner Windseite.
    Sie retten sich in seinen Schatten, wo ein Ausläufer wie ein Arm oder Bein eine tiefe Nische schafft, in welcher der Wind schweigt. Die Frau schiebt das Tuch in den Nacken und atmet tief. Eine weiße Wolke steht vor ihrem Gesicht. Sie reibt die erstarrten Hände.
    »Wo sind sie alle?«, fragt sie mit rauer Stimme, heiser vom Schreien gegen den heulenden Sturm.
    Der Mann lehnt seinen Stock an den Felsen und blickt sich um. Grimmig ist seine Miene, düster blickt sein Auge.
    »Mein Blick sagt mir, Riesenland ist verlassen«, sagt er. »Aber es dünkt mich, der Eindruck täuscht. Ich spüre, dass hier Leben ist. Langsames, schlafendes Leben. Und seit ich das letzte Mal meinen Fuß hierher setzte, sind die Felsen gewandert. Weit weniger sind es, als ich damals zählte.«
    Die Frau lässt sich langsam zu Boden sinken, lehnt den Kopf matt an den kalten Stein. »Komm her zu mir, Wälse, mein Mann«, sagt sie. »Wärme mich und lass mich dich wärmen.«
    Ein Wolf heult mit dem Sturm. Beide lauschen. Der Mann verzieht bitter den Mund. »Lokis verdammte Brut. Er wittert meine Spur. Warte, du zottiges Biest, dass ich dich mit Gungnir treffe!«
    Er tritt aus dem Windschatten, schließt das Auge gegen den peitschenden Wind, lauscht. Ein Schatten, zottig und groß, knochig, mit rotglühenden Augen, streift am Felsen entlang, nähert sich der bergenden Schlucht.
    »Lass, Odin«, sagt die Wala. »Er lebt hier. Willst du ihm seinen kalten Platz neiden?«
    Der Allvater spuckt erbittert aus. »Er sucht mich«, sagt er. »Er sucht mich, er lacht über mich. Er wartet auf seinen Fraß, und er triumphiert, weil ich mein Los nicht wenden kann.«
    »Lass ihn«, wiederholt die Wala geduldig. »Er hat sein Schicksal nicht gewählt. Zugedacht wurde es ihm wie dir.«
    Odin stemmt sich auf seinen Speer, beobachtet wachsam den schnürenden Wolf, der seine Kreise enger zieht, immer enger. »Er sucht uns, er wird uns finden. Und er wird sich nicht darum scheren, dass Ragnarök noch nicht über die Welten hereinbrach. Er will mich jetzt und hier reißen. Sieh seine Augen. Sieh, wie er wittert. Sieh den Schaum, der aus dem Maul ihm träuft.«
    Der Wolf hält inne. Seine knochigen Glieder zittern vor Gier. Sein Blick sucht und findet. Er duckt sich, knurrt. Blitzende Zähne und weiß schäumender Geifer.
    Odin hebt Gungnir mit ruhiger Hand. »Bringen wir es jetzt und hier zu einem Ende, Fenrir, mein Feind«, ruft er mit laut hallender Stimme.
    Der Wolf knurrt und macht sich zum Sprung bereit. Jörd, die Wala, steht an Allvaters Seite und erwartet den reißenden Tod.
    Die Erde bebt. Knirschend hebt sich der Fels. Reißt Stein und Moos, braunen Grund und Wurzeln, bricht den Boden, lässt die Erde stöhnen. Hebt sich, handförmig, legt sich vor Allvaters Fuß, schirmt ihn und die Wala vor dem hungrigen Wolfssohn. Fenrir, der Zottige, winselt, duckt sich, kriecht heran, schmiegt sich an des Vaters steinige Seite. Legt den Kopf zwischen die Tatzen, schlingt den Schweif um den Leib, legt die Ohren flach an den Kopf. Lässt sie nicht aus dem Blick, dem roten, glühenden, aber liegt. Liegt und wartet.
    »Warum … bist … du … gekommen?« Tief dröhnt die Stimme wie Felsgestein, das aneinander sich reibt. Langsam, mühsam, Wort für Wort herausgrabend aus der Tiefe der Erde.
    Odin steht starr. Sein Griff um des Speeres Schaft so hart, dass gewöhnliches Holz splitterte und bräche unter seiner Gewalt.
    »Loki, mein Bruder?«, fragt er, und glaubt es nicht, während er spricht.
    »Odin … mein … Bruder«, erwidert die Stimme.
    Der Allvater sieht

Weitere Kostenlose Bücher