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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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viel erzählen, Mac.«
    »Beweise? Du willst Beweise?« Er richtete sich auf und sah sie drohend an. »Bitte.«
    Flügel. Ash schloss geblendet die Augen bis auf einen kleinen Schlitz. Grellweiße, lichthelle Flügel, und zwar jede Menge davon. Es war, als würde das winzige Zimmer von Flutlichtscheinwerfern erhellt. Die Spitzen des größten Flügelpaares schienen die Decke zu durchstoßen, und dann hatte er noch Schwingen an den Waden und, wie es schien, an den Armen. Sechs Flügel. Wie konnte jemand sechs Flügel koordinieren?
    »Verdammt, ich glaube dir. Mach das Licht aus, ich werde blind!« Ash legte den Unterarm über die Augen und stöhnte vor Schmerz.
    Dunkelheit. Das Geräusch schneller Schritte. Die Liege ächzte und ein Arm legte sich um ihre Schultern. »Verzeih mir«, sagte Macnamara. Seine Stimme klang unglücklich. »Das hätte ich nicht tun dürfen.«
    Sie jammerte leise. Er legte seine Hände auf ihre Augen. Sanftes, warmes Dunkel. Seine Berührung linderte den Schmerz, der so blendend und weiß in ihren Augen tobte und ihr den Atem nahm.
    »Ich habe so lange mit niemandem mehr über all das gesprochen«, hörte sie ihn sagen. »Deshalb habe ich wohl die Beherrschung verloren. Ash, es tut mir leid. Ich bin schrecklich betrunken, fürchte ich.«
    Sie genoss den abflauenden Schmerz. Die Berührung seiner Hände war sanft, aber sie konnte die Kraft dahinter spüren. »Mac«, sagte sie, »ich habe noch nie einen Engel geküsst.«
    Sein Zögern dauerte nur kurz. »Holen wir das nach«, flüsterte er. Auch seine Lippen waren sanft, und sein Kuss wie ein Streicheln, das ihren Körper erschauern ließ. Sie legte ihre Arme um ihn und zog ihn an sich. »Du hast versprochen, dass du mich wärmst.«
    »Habe ich das?« Ash konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. Sie wagte es, ihre verblitzten Augen zu öffnen, und sah ihn an. Im Halbdunkel des Zimmers erschien seine Gestalt noch größer, seine Präsenz noch wuchtiger. Mit seinem Mantel schien er eine Tarnung abgestreift zu haben, die ihn draußen, vor der Tür dieses Zimmers, unscheinbarer, kleiner, harmloser wirken ließ.
    Gefahr. Ash genoss den Schauder, der sie überlief. Gefahr. Alle Sinne schlugen Alarm. Lass dich nicht auf ihn ein. Er ist gefährlich, gefährlich, gefährlich!
    Sie atmete tief ein und schickte ihre Furcht zum Teufel. »Mac, ich habe noch nie einen Engel …« Sie ließ den Satz unvollendet, blickte ihn nur an.
    Er stieß Luft durch die Nase. »Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Du wirst schrecklich enttäuscht sein. Ich gehörte einst zu den Mächten, den Fürsten, den Ersten. Wir sind die alten Engel. Bevor es Menschen gab, gab es uns.« Er ließ sie los und zog mit ein paar schnellen Bewegungen sein Unterhemd und die Hose aus.
    Ash schlug die Hand vor den Mund. »Ach«, sagte sie. »Ach, das wusste ich nicht. Mac, was ist denn das für ein Scheiß? Warum haben sie euch das angetan?«
    Er sah nicht an sich herab, zuckte gleichmütig die Schultern. »Es bestand keine Notwendigkeit, uns anders auszustatten. Wir leben ewig. Der HErr hat uns erschaffen. Keiner von uns muss sich fortpflanzen.« Er kniete vor der Liege nieder und umfasste ihre Schultern. »Wenn du jetzt gehen möchtest, bin ich nicht gekränkt.«
    Ash rang ihre Überraschung nieder. »Heißt das, alle Engel sehen so aus wie du?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nur die – wie würde Murgatroyd das formulieren? – die ›vorsintflutlichen Modelle‹. Alle späteren Generationen wurden nach eurem Vorbild geschaffen, Ash. Menschlich. Mit allen menschlichen Attributen.« Sie sah seine Zähne im Lachen aufblitzen. »Es gibt inzwischen ja sogar weibliche Engel. Das ist der neueste Trend im HQ, habe ich mir sagen lassen.«
    Ash streckte die Arme aus. »Dann zeig mir mal, was ein vorsintflutliches Engelmodell wie du ohne – äh – moderne Attribute so drauf hat.« Sie lächelte ihn an. »Gonzo ist ganz wild nach dir. Das wird ja seine Gründe haben.«
    Er lachte leise und kam zu ihr. »Ich habe Hände«, gab er zurück. »Und die sind recht geschickt.«
    »Und einen Mund, das hast du vergessen zu erwähnen«, sagte Ash nach einer Weile atemlos. »Sind alle Engel wie du …?« Ihre Frage blieb ungestellt und wurde nicht beantwortet.

10
    Schneesturm kommt dann und scharfer Wind:
dann ist das Ende den Asen gesetzt.
    D er Wind pfeift und heult und treibt Schneeflocken vor sich her. Der Himmel lastet tief und dunkelgrau über der Ebene, deren Einförmigkeit nur durch

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