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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Welt hält inne und ruht sich aus.
    Jörd seufzt. Sie ist es, die nun die Ruhe zerstören, den Frieden töten muss. »Sie haben das Kind gefunden«, sagt sie.
    Sein Blick wendet sich langsam ihr zu, noch sanft verschleiert, aber im Verstehen klärt er sich und wird kalt und hart. »Wen?«, fragt er noch, aber er kennt die Antwort.
    »Das Mädchen. Unsere Enkelin.«
    Sein Griff um ihren Leib wird fester. »Wo?«
    Sie erwidert den Druck seiner Hände. »Wo du es erwartet hast. In dem Teil, wo meine Spinnen leben dürfen, auch wenn ständig jemand hinter ihnen her ist, um sie zu fressen.« Sie schüttelt lachend den Kopf. »Dämonen.«
    Er lacht nicht mit ihr. »Ich habe noch keinen Weg dorthin gefunden. Sie haben ihre seltsame Welt gut gesichert. Es war schwer genug für mich, zum PLAN zu gelangen, obwohl der weniger fest abgeschottet ist als die beiden anderen Teile dieser Welt.«
    Jörd presst die Lippen zusammen. Sie senkt den Kopf und atmet langsam und tief. Es wird ihn treffen. Sie haben nicht mehr darüber gesprochen, und jetzt reut sie das Versäumnis.
    »Darf ich dir eine Frage stellen?«, wagt sie den ersten Schritt und spürt seine Verwunderung.
    »Frag zu«, erwidert er. »Seit wann bittest du mich um Erlaubnis?«
    Sie dreht sich in seiner Umarmung und steht vor ihm, den Kopf erhoben, um sein Auge zu sehen. Wild und kalt, gelb wie das eines Falken. Lieber erblickte sie in seinem Auge das sanfte Grau eines Regentages, wie in den Nächten, da sie in seinen Armen ruht. Aber dies ist der Sturmvater, und auch er ist ihr Mann.
    »Du hast gesagt, du habest Loki getötet«, wagt sie die Frage, die keine Frage ist. Sie wartet.
    Er blickt über ihren Kopf hinweg auf Urds stilles Wasser. »Ja«, erwidert er kurz.
    Sie wartet, ob er noch mehr dazu sagen wird, aber Odin schweigt.
    »Sturmauge«, sagt sie so sanft, wie es ihr möglich ist. »Berichte mir, wie du es tatest. Die Wala bittet dich darum.«
    Er wendet das Gesicht ab, das verschattet ist von der tiefen Nacht seiner Erinnerungen. »Ich traf ihn in Hels dunklem Reich«, sagt er so leise, dass sie sich vorneigen muss, um seine Stimme zu hören. Sein Atem streicht daunfederleicht über ihre Wange.
    »Er drückte sich dort im Dunkeln herum, schlich und lauerte, barg sich zwischen den Schatten, mühte sich, meinem Blick zu entgehen. Dann, als ich ihn stellte, log er mir frech ins Gesicht. Lügner und Täuscher, verräterisch wie eh und je.« Seine Stimme hebt sich mit dem steigenden Grimm und doch ist ihr Klang bedrückt und voll der Trauer. Er sucht ihren Blick, sucht die Bestätigung, dass das, was er getan, rechtmäßig geschah.
    Sie drückt fest seine Hand, nickt ermunternd, lächelt nur mit dem Mund.
    Sein Atem saugt zischend durch die Zähne. »Ich erschlug ihn«, flüstert er. »Gungnir spießte ihn auf. Er bettelte um seinen Tod, Jörd, mein Weib.« Sein Blick weicht ihr aus.
    »Du gabst ihm, was er verlangte?«
    Er schweigt.
    »Odin, mein Siegherr. Du gabst ihm den gnädigen Tod?«
    Er schüttelt langsam das Haupt. »Nein.«
    Sie lässt seine Hand los, tritt zurück. »Nein. Du hast ihn sterbend dort unten gelassen, lebenden Fraß für Hels schreckliche Brut?«
    Er fährt auf, blickt sie an. »Das traust du mir zu?«, fragt er fassungslos.
    Sie schüttelt den Kopf, voller Zweifel. »Nein, das nicht. Aber du sagtest doch …«
    »Er flehte um seinen Tod und ich gab ihm Wasser aus Urds heiligem Quell.« Er wendet sich ab, stützt die Hände gegen die Wand, legt den Kopf darauf.
    »Aber dann …«, sie steht fragend und ratlos hinter ihm, setzt erneut an: »Aber dann lebt er.«
    Er schüttelt heftig den Kopf. »Ich suchte sein Haus auf. Der Herd ist kalt, Staub liegt auf allem. Sein Garten verdorrt, Hels Hund Garm heult mit den Wölfen im Wald. Ich spürte ihm nach durch die neun Welten unter Yggdrasils Schirm und fand keine Spur seiner Schritte, keinen Laut seiner Stimme, keinen Hauch seines Atems.
    Er ist tot, Jörd. Tot und verdorben.«
    Sie hebt die Hand, reibt fest sich über die Lippen. »Ich sah ihn«, sagt sie. »Dort, wo die Toten der Midgardkinder sich sammeln.«
    Er reißt den Kopf empor, starrt sie wild an. »Wie kann das sein?«, ruft er. »Wir sind kein Teil des PLANs! Es kann nicht sein, dass er, von meiner Hand erschlagen, dorthin fuhr!«
    Sie geht schweigend von ihm fort, den Weg entlang, hinunter ans flache Ufer des Sees. In seinem schwarzen Wasser spiegeln sich milchweiße Seerosen wie ertrunkene Sterne. Jörd kniet am Ufer, blickt in den

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