Projekt Atlantis
Irgendeine Bewandtnis musste diese Unregelmäßigkeit haben. Patrick holte einen der Klappspaten, die sie mitführten, und kratzte die letzten Erdreste von der Platte. Als er dabei an einer Kante hängen blieb, entdeckte er, dass eine Öse in den Stein gearbeitet worden war, in der ein zur Unkenntnis verrosteter, schmaler Metallring klemmte. Jedenfalls bis gerade eben, denn Patrick hatte ihn mit dem Spaten aus Versehen abgeschlagen.
Er kniete sich auf den Boden und wischte die Platte mit den Händen sauber. Sie maß fast einen Meter im Quadrat und war erheblich sorgfältiger gearbeitet als die Steine, die als Bodenfliesen dienten. Es war ein Zugang wie zu einem Keller oder einem Grab. Es musste möglich sein, die Platte hochzuheben.
»Jaime, Rodrigo! Kommt her und helft mir!« Die beiden Scouts unterbrachen ihre Vorbereitungen für das Nachtlager und kamen herbei. »Wir brauchen etwas, das wir als Brecheisen benutzen können, oder ein Seil. Am besten beides.«
Die Männer waren ähnlich praktisch veranlagt wie Patrick und verstanden sofort, was zu tun war. Wenige Augenblicke später hatten sie ein fingerdickes Kunststoffseil durch die Öse und über den Ast eines Baums geführt, sodass sie unter Einsatz ihres ganzen Körpergewichts an der Platte ziehen konnten. Patrick hebelte gleichzeitig mit dem Spaten an der vorderen Kante, und in Minuten gab der Stein nach. Langsam hob er sich aus seiner Lage und klappte, dem Verlauf des Seils folgend, nach hinten weg.
Patrick sah in das entstandene Loch und zuckte kurz zusammen, als ihm ein Schwall faulig stinkender Luft entgegenschlug. Einige steinerne Stufen führten hinab, höchstens zwei Meter tief, wo bereits ein schwarzbrauner Boden zu sehen war.
Patrick ging zur Ausrüstung, holte seine Maglite-Taschenlampe heraus und ging die Stufen hinunter.
»Scheiße!«, fluchte er, als er statt auf den Boden des Kellerraumes in eine schlammige Brühe trat. Der jaucheartige Gestank von verfaulten Pflanzenresten drang aus dem zähflüssigen Brei herauf. Vorsichtig tat Patrick einen weiteren Schritt und noch einen, bis es nicht mehr tiefer ging und er schließlich fast bis zum Knie in dem stinkenden Sud stand. Er ließ den Strahl der Maglite durch den Keller wandern. Die Wände waren aus natürlichem Stein, der an einigen Stellen bearbeitet worden war, vermutlich, um den Hohlraum ein Stück zu erweitern. Sie waren mit schwarzen Flecken aus Moosen und Pilzen übersät, und eine Vielzahl von Wurzeln drang durch die Decke und durch den Raum.
Patrick bewegte sich langsam vorwärts, schob seine Füße durch den Schlamm, wobei glucksende Geräusche entstanden. Jahrhundertelang war Regen durch den Waldboden und durch diesen Raum gelaufen, nichts Organisches, was einmal hier gewesen sein mochte, keine Bücher des Padres oder vielleicht seine Leiche, konnte noch erhalten sein, die Feuchtigkeit würde alles zersetzt haben. Aber wenn Padre Guilherme einen Schatz gehütet hatte, dann war es nur wahrscheinlich, dass er ihn hier unten aufbewahrt hatte. Und Edelsteine verrotteten bekanntlich nicht.
» ¡Señor Patrick! Ist alles okay?« Es war die Stimme von Jaime, die vom Eingang her zu ihm herunterdrang.
»Ja, keine Sorge. Kümmert euch um das Feuer, bin gleich wieder da.«
Patrick ging vorsichtig weiter. Auf keinen Fall wollte er in dieser Kloake ausrutschen. Er überlegte, weswegen der Raum nicht noch höher unter Wasser stand. Anscheinend war das Gestein so durchlässig, dass es immer wieder ausreichend ablief. Tatsächlich traf das ja auf die ganze Gegend zu, sodass sie von Cenoten und kleineren ausgeschwemmten Hohlräumen durchzogen war. Wie der Padre diese Höhle gefunden hatte, um seine Mission geradewegs darüber zu errichten, war ein Rätsel. Aber vielleicht war es ja auch nur Zufall gewesen.
Das Licht seiner Taschenlampe fiel auf eine Ausbuchtung in der Wand. Dort hatte man eine Nische in den Fels gearbeitet. Patrick ging hinüber und untersuchte sie. Sie war nur etwa hüfthoch. Er streckte einen Fuß hinein und stockte, als er gegen ein Hindernis stieß, etwas, das in der Brühe lag. Vielleicht ein Stein, oder vielleicht auch etwas, das der Padre hinterlassen hatte?
Patrick zögerte, ob er sich hinunterbeugen und mit den Armen in der Jauche wühlen sollte, als er ein bedrohliches Knirschen hinter sich hörte. Es klang nach mahlendem Stein, und es klang hohl. »Verdammt!«, zischte er, als eine ruckartige Bewegung durch den Boden lief. Dann platzte etwas lautstark hinter ihm,
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