Projekt Atlantis
Womöglich hatte das Holz sich in der Feuchtigkeit sogar nur noch fester zusammengezogen.
Er spähte in die Truhe. Seine schwache Hoffnung, dass der Inhalt unversehrt geblieben war, wurde enttäuscht. Natürlich war Wasser eingedrungen, vielleicht schon sehr früh. Im Inneren befand sich eine ähnlich modrige Brühe, wie im gesamten Kellerraum. Patrick fuhr mit der Hand in die stinkende Masse. Etwas Organisches war hier vermodert, vielleicht alte Leinen oder Papier. In dem Brei spürte er ein schweres Objekt. Er zog es heraus. Es war ein kleines Altarkreuz. Nur vierzig oder fünfzig Zentimeter groß. Es war schwarz und wog schwer. Patrick wischte den gröbsten Dreck herunter und erkannte, dass es nicht aus Eisen war, sondern aus Silber. Angelaufen, kaum zu erkennen, aber es war Silber. Und in den Armen waren Steine eingefasst. Eine vierhundert oder fünfhundert Jahre alte Kostbarkeit aus der Zeit der Konquistadoren!
War das der Schatz, von dem der Padre geschrieben hatte? Aber hatte er nicht erwähnt, dass ihm die Maya Schätze gebracht hätten? Er würde doch wohl kaum sein eigenes Altarkreuz erwähnen...
Noch einmal griff Patrick in die Truhe. Er meinte schon, den Boden zu spüren, bis er feststellte, dass es etwas anderes war, groß und mit einer ebenen Oberfläche. Er konnte es kaum herausheben. Nun griff er auch mit der anderen Hand hinein, und kurz darauf hob er einen Klotz hervor, fast so lang und breit wie die Truhe und etwa zehn Zentimeter dick. Er war mit organischem, faserigem Brei umwickelt, der ehemals ein Stoff gewesen sein mochte, und wog so viel wie eine Bleiplatte.
Patrick legte das Objekt auf seinen Schoss und befreite es von den vermoderten Resten.
Sein Atem stockte, als er sah, was er entdeckt hatte.
Pures Gold strahlte ihm entgegen, so glänzend wie am ersten Tag. Es war eine Tafel, übersät mit feinen Zeichnungen und sorgfältig eingearbeiteten Maya-Glyphen. Sie war am Rand mit großen goldenen Ringen versehen, und als Patrick die Platte zur Seite klappte, erkannte er, dass es sich um ein Buch handelte. Ein Buch mit Blättern aus dünn gewalztem Gold, beschriftet mit der größten Menge an Maya-Glyphen, die er jemals gesehen hatte.
Das war der Schatz des Padre! Eine Überlieferung der Maya, für alle Ewigkeit in das kostbarste Metall gearbeitet, dem die Zeit nichts anhaben konnte.
Die Suche hatte sich gelohnt!
Lateinischer Friedhof »Terra Santa«, Bab Sharq, Alexandria
Peter Lavell stand am unteren Ende der Stufen und sah auf den Torbogen, der als Eingang des Alabastergrabes bekannt war. Hinter ihm kam Yves Pouilloux die Treppe herab.
»Ich versprach Ihnen ja, dass es nicht weit ist«, sagte der Franzose.
Peter nickte. Er war froh, dass sie auf dem Weg durch die Stadt einen klimatisierten Wagen gehabt hatten. Denn kaum war er draußen, trat ihm schon der Schweiß auf die Stirn. Es wunderte ihn nicht, dass so viele der hier arbeitenden Männer Hüte oder wenigstens Mützen trugen. Zwar standen auf dem Gelände des alten Friedhofs einige Akazien und Zypressen, aber Schatten gab es kaum. In früheren Jahren hätte ihm die Hitze weniger ausgemacht, aber nun hatte er die sechzig überschritten und war weit weniger rüstig. Der gebürtige Engländer lebte und arbeitete in Hamburg, und weder sein Büro im Museum für Völkerkunde noch das oft feuchte und windige Klima in der Hafenstadt prädestinierten ihn für diese Breiten. Nun war es hier noch halbwegs gemäßigt. Er erinnerte sich an seinen letzten Aufenthalt in Ägypten vor zwei Jahren. In Kairo war es noch schlimmer gewesen.
»Kommen Sie, Professor Lavell«, sagte der Franzose, »ich bringe Sie zum Team.«
Peter folgte dem Mann. Yves Pouilloux arbeitete für das Centre d'Etudes Alexandrines, eine ortsansässige französische Organisation, die archäologische Untersuchungen in Alexandria durchführte. Sie war erst seit 1990 hier tätig, hatte aber in dieser Zeit große Fortschritte gemacht, sowohl in der Stadt als auch im Hafengebiet. Dabei ging es in erster Linie um die ptolemäische Zeit der ägyptischen Geschichte, aber natürlich fanden sich neben den griechischen auch römische Überreste und Spuren aus späteren Zeiten.
Yves brachte Peter zu einer Betonhütte, neben der ein großes Zelt stand. Hier waren Tische aufgebaut, und eine Vielzahl von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Helfern war beschäftigt. Sie sahen auf, als der Ausgrabungsleiter mit seinem Gast näher kam.
Peter wurde einigen Leuten vorgestellt,
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