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Projekt Babylon

Titel: Projekt Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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erregte. Die Erektion war jedoch schmerzhaft, und sie war nicht mit Lüsternheit und Begierde verbunden, sondern im Gegenteil mit Ehrfurcht – wie vor einem höheren, heiligen Wesen.
    »Geht es Ihnen gut? Alles wieder in Ordnung?«
    Patrick erinnerte sich, wo er sich befand und was geschehen war. Er saß auf dem Boden der Höhle, das Licht umspielte ihn von allen Seiten, ihm schien nichts zu fehlen. Anders als beim ersten Mal, als er den Kopf durch den Durchgang gesteckt hatte, spürte er keine Nachwirkungen. Neben ihm kniete Stefanie, ihre Hand lag auf seiner Schulter. Und etwas hatte seine Wahrnehmung von ihr entscheidend verändert. Die Tatsache, dass sie ihn anfasste, allein der bloße Gedanke an ihre Berührung löste ein drängendes Pochen in seinen Lenden aus, und zugleich erkannte er, dass er es niemals wagen würde, sie zu berühren. Dass überhaupt kein Mann in der Lage wäre, sie jemals zu berühren.
    Unbeholfen stand er auf und bemühte sich, mit der linken Hand unauffällig seinen Schoß zu bedecken. Stefanie tat so, als bemerkte sie es nicht, doch sie ließ seine Schulter dabei nicht los. Und Patrick spürte unwillkürlich, dass das so sein musste.
    Denen zugänglich, die Bewahrer der Mysterien sind.
    Sie war eine Hüterin der Geheimnisse, daher hatte sie den Durchgang passieren können. Und bei Patricks Sturz hatte sie ihn ebenfalls berührt, als sie versucht hatte, ihn zurückzuhalten. Dadurch war er nicht zu Schaden gekommen. Und nun, in dieser blauen Kuppel, musste er sich von ihr berühren lassen, wenn er nicht auf der Stelle den Verstand verlieren wollte.
    Er sah sich um. Und sein Atem stockte.
    Die Luft um ihn herum war erfüllt von Bildern. Wohin er auch blickte, sah er Tiere, Menschen, Gegenstände, Bauwerke, ja ganze Städte und Landschaften. Die Bilder bewegten sich, flossen ineinander, schienen bald durchsichtig und schemenhaft, bald unerträglich real und greifbar. Es waren keine toten Abbildungen, sondern animierte Szenen, die einander in einem beständigen Strom durchdrangen. Und wie die merkwürdigen visuellen Artefakte, die sich beim Reiben auf dem Augapfel einbrannten, so waren sie nur aus dem Augenwinkel zu beobachten. Sobald Patrick versuchte, sie direkt anzusehen, verschwammen und zerflossen sie. Als wäre diese Reizüberflutung nicht genug, wurden alle Objekte und Schauplätze von offenbar dazugehörigen Klängen begleitet. Von allen Seiten drangen unirdisch anmutende Musikfetzen, unverständliche Bruchstücke fremdsprachiger Gespräche und Geräusche jeder Art und Lautstärke auf ihn ein. Patrick stand inmitten eines albtraumhaften, multimedialen Basars. Hektischer, bunter, lauter und eindringlicher als alles, was er je zuvor erlebt hatte.
    » Mon Dieu... Was ist das?!« Seine Stimme kam ihm verhalten und fremd vor.
    »Ich sehe es auch«, sagte Stefanie. »Es ist atemberaubend!«
    »Einiges kann man fast berühren! Und es ist so schnell! Man kann kaum erfassen, um was es sich handelt...«
    »Erkennen Sie irgendeine Struktur? Eine Logik?«
    Patrick streckte eine Hand aus, doch sie fuhr durch das stürmende Panoptikum der Bilder hindurch wie durch Luft. »Ich wäre froh, wenn ich überhaupt irgendetwas mal in Ruhe ansehen könnte!«
    »Aber irgendeinen Sinn muss es doch haben... vielleicht wiederkehrende Motive?«
    »Stefanie, wenn ich irgendwelche Motive erkennen könnte... warten Sie mal. Doch. Da ist etwas, dort drüben, sehen Sie?«
    »Was meinen Sie?«
    »Jetzt ist es schon wieder weg.« Er sah sich um. »Aber dort wieder... Sind das nicht Pyramiden?«
    Stefanie sah in die Richtung, in die Patrick deutete. »Ich kann nichts erkennen...«
    »Doch, ganz bestimmt.« Das Bild war plötzlich aufgetaucht und in einem Lidschlag wieder entschwunden, aber es hatte einen bleibenden Eindruck vor seinem inneren Auge hinterlassen. Er kannte dieses Motiv nur zu gut. Zwei große und eine kleinere Pyramide: Es war der berühmte Postkartenblick auf das Plateau von Gizeh. Und als er sich dieses Bild vergegenwärtigte, tauchte es erneut auf, diesmal näher und weniger schemenhaft.
    »Da ist es wieder!«
    »Was meinen Sie?«
    »Na sehen Sie doch, direkt hier vorne, es ist...« Er hielt inne. Im Raum vor ihm wirkte die Sicht auf die Pyramiden jetzt fast greifbar, als würde er direkt vor ihnen in der Luft schweben. Das Bild wurde immer klarer, die Farben voll und lebendig, das Szenario saugte ihn regelrecht auf, und die umgebenden Bilder und nebelhaften Höhlenwände entschwanden. »Sind Sie noch

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