Projekt Babylon
da?«, fragte er, mehr zu sich selbst, denn er wagte nicht, den Blick zu lösen und sich nach Stefanie umzusehen.
»Ja«, hörte er sie.
»Das ist doch unglaublich, oder? Was passiert jetzt?«
»Was meinen Sie?«
»Sehen Sie es denn nicht?«
»Ja, Bilder, überall um uns herum.«
»Nein, die Pyramiden! Direkt vor mir, und ich...« Wieder stockte er. Das Bild entsprach zwar im Prinzip dem Anblick von Gizeh, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Die mittlere der Pyramiden, die Chephren-Pyramide, war vollkommen intakt, das typische Band der abgelösten Verkleidungsblöcke war nicht zu sehen, und auch die Cheops-Pyramide zeigte sich mit ihrer ursprünglichen Verkleidung aus weißem Kalkstein, inklusive des schon lange fehlenden glänzenden Abschlusssteins auf der Spitze. Dies war nicht das Plateau von Gizeh, wie es heute aussah. Dies war ein Blick in die Vergangenheit!
»Welche Pyramiden?«, hörte er Stefanie fragen. »Offenbar sehen Sie etwas anderes als ich. Beschreiben Sie es!«
»Direkt vor mir ist die Cheops-Pyramide. Und sie sieht aus, als wäre sie gerade erst erbaut worden.«
»Ja... jetzt ist sie auch vor mir erschienen. Aber nur schemenhaft. Beschreiben Sie weiter!«
»Sie ist wunderbar glatt und weiß... und weiter unten sieht man Menschen... da sind Gebäude! Eine ganze Stadt, Hütten aus Lehm und Palmwedeln...«
»Je mehr Sie erzählen, desto mehr Details kann ich auch erkennen. Als ob Sie es erscheinen lassen... Sehen Sie noch mehr? Was tun die Menschen?«
Patrick konzentrierte sich auf das Treiben zu Füßen der Großen Pyramide, und schon rauschte das Bild auf ihn zu. Plötzlich befand er sich auf Bodenhöhe, inmitten der Menschen, die ihren Geschäften nachgingen. Unverständliche Gespräche umgaben ihn, irgendwo rief jemand etwas, aus einer anderen Richtung klang ein Hämmern herüber.
»Ich bin jetzt mittendrin. Ich kann den Menschen ins Gesicht sehen. Sie sind überall um mich herum. Verschwitzt, staubig, sie unterhalten sich, dort drüben ist eine Hütte. Und an der Wand steht ein Wagen!«
»Ich sehe es auch«, ertönte Stefanies Stimme aus dem Nichts und doch aus unmittelbarer Nähe, »aber immer erst, nachdem Sie es erwähnt haben... Vielleicht gibt es eine Verbindung? Vielleicht steuern Sie unbewusst diese Bilder?«
»Ich weiß nicht...«
»Versuchen Sie, sich auf den Wagen zu konzentrieren. Zeigen Sie ihn mir.«
»Also gut, der Wagen. Er ist...« Noch während Patrick redete, schien der Wagen hautnah auf ihn zuzukommen. Die Umgebung verblasste, der ganze Blick war nur noch auf das Gefährt gerichtet. »Es ist eine Art zweirädriger Karren, wie man ihn hinter ein einzelnes Pferd spannen würde...«
»Ich sehe ihn! Patrick, Sie lenken die Bilder!«
»Ja, irgendwie... wenn ich mich auf etwas konzentriere... wie dieser Wagen... Sehen Sie sich die einfache Konstruktion an. Hohe Effektivität mit minimalem Aufwand. Das Prinzip hat sich fast viertausend Jahre lang nicht geändert, bis zur industriellen Revolution...« Das hölzerne Gefährt wandelte sich bei diesen Gedanken in ein unbeholfenes Vehikel mit großen Stahlrädern und einem Schornstein. Es war eine Dampfmaschine geworden. Patrick beobachtete die Veränderung mit Staunen. Hatte er gerade einen Zeitsprung gemacht? Oder sah er nur Bilder, die sein eigenes Gedächtnis produzierte? Eine solche Dampfmaschine hatte er natürlich schon einmal gesehen, aber da war diese Detailfülle! Er konnte sogar Risse im schwarzen Lack erkennen. Es war wie ein hyperrealistischer Traum.
»Der Wagen ist verschwunden«, sagte Stefanie. »Was tun Sie?«
»Ich habe an etwas anderes gedacht und nun...« Er versuchte sich zu beruhigen. Wenn er die Bilder allein durch seinen Willen erscheinen lassen konnte, war es ihm vielleicht auch möglich, Stefanie daran teilhaben zu lassen, ohne es ihr zu beschreiben. Er vergegenwärtigte sich ihre Berührung, ihr engelgleiches Wesen, stellte sich ihr Gesicht, ihren Körper neben sich vor. Und dann stand sie unvermittelt neben ihm, war Teil des Ganzen geworden. Zu zweit schienen sie nun in einem Undefinierten Raum zu schweben, der auf jeden konkreten Gedanken reagierte, und vor ihnen, einer holographischen Projektion gleich, befand sich die Dampfmaschine.
»Patrick! Sie beherrschen die Höhle!«
»Ich glaube nicht, dass ich hier wirklich etwas beherrsche ... Die Höhle und das Licht, es scheint irgendwie zu leben, steht mit meinen Gedanken im Kontakt. Ich kann es ein wenig lenken, aber ich weiß
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