Projekt Babylon
Hebräisch und Ägyptisch. Ein bisschen Etruskisch, so weit es geht, ebenfalls. Nur die Klassiker eben.«
» Nur die Klassiker?!«, entfuhr es Peter.
»Ich habe allerdings Quellen, um die meisten anderen Sprachen ebenfalls übersetzen zu lassen«, setzte Stefanie schnell hinzu.
»Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin überaus beeindruckt! Sie scheinen ein Sprachgenie zu sein.«
»Sehen Sie, ich vergleiche es immer mit Musik. Wenn Sie wirklich musikalisch sind, und Musik Ihr Beruf, Ihr Leben ist, dann verstehen Sie die Sprache der Noten, dann können Sie gleichermaßen Jazz wie Pop verstehen und spielen. Es ist alles dieselbe Welt. Die Muster und Strukturen wiederholen sich.«
»Was bedeutet › hoc sit exemplum discipulis‹? «
»› Hoc ‹ heißt › dies‹, ›sit ‹ ist Konjunktiv, › hoc sit‹, ›dies sei‹, ›exemplum‹, ›ein Beispiel‹, ›discipulis ‹ bedeutet › Lehrling ‹, im biblischen Sinne auch › Jünger‹: ›Dies sei ein Beispiel für meine Jünger. ‹ Warum fragen Sie das, soll es ein Test sein?«
»Ja«, sagte Peter und lächelte. »Ich muss wissen, ob Sie tatsächlich eine Wissenschaftlerin sind – oder eine Journalistin. Im ersten Fall heiße ich Sie herzlich willkommen an Bord. Im zweiten Fall müsste ich Sie leider erschießen.«
»Dann hoffe ich, dass ich Sie überzeugen konnte. Wo ist denn Ihr Kollege, Monsieur Nevreux?«
»Patrick ist in der Nähe von Carcassonne. Sie werden ihn heute Abend kennen lernen. Hat man Ihnen schon Ihr Zimmer gezeigt?«
»Ja.« Sie deutete auf das Notebook neben sich. »Ich habe nur den Rechner mit runtergenommen, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich wusste ja nicht, wie lange ich auf Sie warten würde.«
»Dann begleiten Sie mich doch an unseren und Ihren neuen Arbeitsplatz. Ich werde Ihnen unterwegs alles erzählen.«
»Sehr gerne, klingt wie ein guter Auftakt. Umso mehr, als Sie offensichtlich nicht mehr vorhaben, mich zu erschießen.« Sie lachte Peter an und steckte sich die Haare wieder hinter das Ohr.
»In der Tat.« Peter stand auf und zog ihren Stuhl beiseite, als sie sich erhob. »Es wäre ja auch eine Schande gewesen.«
»Es geht um diese Höhle«, erklärte Peter, als sie im Landrover auf dem Weg ins Camp waren. »Ein Schäfer hat sie gefunden und ist irgendwie verrückt geworden, er liegt jetzt in einem Sanatorium. Ihn besucht Patrick heute. Die Höhle ist über und über mit Schriftzeichen und ganzen Texten übersät. Das Interessante ist, dass es sich dabei um ein unwahrscheinliches Potpourri handelt; Latein, Sumerisch, Griechisch, Ägyptisch, sogar Maya-Glyphen und völlig unbekannte Sprachen. Deswegen heißt das Projekt Babylon.«
»Die Sprachverwirrung.«
»Ja. Wir haben die Malereien analysiert. Sie sind etwa aus dem dreizehnten Jahrhundert. Mittelalter, eine Zeit also, in der man von Sumerisch nichts wusste, geschweige denn von den Maya. Die Welt war damals immerhin noch eine Scheibe, von der man kurz hinter Afrika hinunterfiel.«
»Aber das ist doch völlig unmöglich!«
»Natürlich. Heute wissen wir, dass die Schwerkraft dies verhindert.«
»Ich bezog mich auf das Alter der Malereien.«
»War bloß ein Witz. In der Tat, das Alter der Malereien ist höchst zweifelhaft. Aber wir vernachlässigen diesen Aspekt zunächst, weil wir uns aus der Entzifferung der Texte eine Aufklärung über die Höhle als solche erhoffen. Ein paar Malereien sind im Laufe der Jahre auch nachträglich angebracht worden, meistens aber sehr schlampig oder sogar unleserlich. Und diese ganzen unbekannten Schriften. Es gibt eine Menge zu tun.«
»Was macht das Ganze denn so unsagbar geheim?«
»Der UN geht es eigentlich gar nicht um die Schriften, auch wenn sie uns noch so spannend vorkommen. Es geht um einen tiefer gelegenen Teil der Höhle. Dort befindet sich ein Gang mit sehr merkwürdigen, vielleicht elektromagnetischen Eigenschaften. Wir wissen es noch nicht genau. Deswegen ist Patrick im Projekt. Er ist ein sehr guter Feldforscher und Techniker.«
»Diese elektromagnetischen Eigenschaften – was bewirken...?« Sie hielt inne, als sie die Männer bemerkte, die in dem Camp herumliefen.
»Diese Männer hier arbeiten für die UN und sichern für uns das Gelände«, sagte Peter, als sie gerade das Tor passiert hatten und durch das Camp fuhren. »Sind Sie eigentlich auch unter dem Deckmantel der Tollwutseuche hier?«
»Ja«, sie schmunzelte, »angeblich bin ich eine Verhaltensforscherin. Das haben die sich wohl ausgedacht,
Weitere Kostenlose Bücher