Projekt Babylon
te adiuvare student!! « Der Schäfer kreischte nun laut. » NE SIS CONFISUS... « Patrick riss sich los und taumelte zurück. Er musste sofort etwas zum Schreiben finden. Er stürmte aus dem Zimmer und hetzte den Gang zurück, die Treppe hinab, entriss dem Mann im Empfangshäuschen seinen Stift und griff nach ein paar losen Blättern, die dieser vor sich liegen hatte. Mit dem Protest des Mannes im Ohr rannte er den Weg wieder zurück und hoffte darauf, dass niemand das Geschrei des Schäfers gemerkt und ihn inzwischen mit irgendwelchen Drogen ruhig gestellt hatte. Als er das Zimmer betrat, war dort alles wieder ruhig. Patrick rang nach Atem und schrieb auf, was er noch in Erinnerung hatte. Was waren das für Worte? Sie klangen ein wenig wie altertümliches Französisch, was aber wohl eher an der Aussprache des Schäfers lag. Ansonsten ergeben sie überhaupt keinen Sinn. Vielleicht waren es ja erfundene Worte. Aber der Mann wiederholte sie so präzise, als ob sie etwas bedeuteten. Jetzt lag er wieder in seinem seltsam eingefrorenen Zustand da, die Augen aufgerissen, die Beine angewinkelt. Ne sis confisus illis, qui te adiuvare student... Er hatte begonnen zu sprechen, als er ihn auf die Rose und die Inschrift angesprochen hatte, hoc sit exemplum... Latein! Konnte es sein, dass der Schäfer Latein sprach? Es war völlig absurd. Wie konnte ein umnachteter Schäfer von einem Tag auf den anderen lateinisch sprechen? Es war wohl ausgeschlossen, dass er das beim Schafehüten gelernt hatte. Und doch...
Patrick ärgerte sich, dass er kein Latein verstand. Trotz seiner Arbeit hatte er es nicht ein einziges Mal vermisst, und nun benötigte er es ausgerechnet für ein Gespräch mit einem Schäfer! Wie konnte er ihn nur wieder zum Sprechen bringen? Im Geiste ging er seine Literaturkenntnisse und sein Studium durch. Welche Lateinbrocken kannte er? Veni, vidi, vici , ich kam, sah und siegte, oder alea iacta est , der Würfel ist gefallen...? Damit ließ sich ausgesprochen schlecht ein Gespräch führen...
Ach, zum Henker, es hört mich ja keiner , dachte Patrick und setzte sich wieder auf die Bettkante des Mannes.
»Ave«, sagte er und musste in Gedanken über diese seltsame Ironie den Kopf schütteln. Den Gruß hatte er zuletzt im Zusammenhang mit Julius Cäsar gehört, der vor zweitausend Jahren unter anderem ganz Frankreich erobert und besetzt hatte.
Der Schäfer schien daran jedoch keinen Anstoß zu nehmen und bewegte sich wieder. Seine Augen durchsuchten den Raum, obwohl Patrick direkt vor ihm saß. »Ne sis confisus illis, qui te adiuvare student!«, betonte er noch mal, und Patrick verglich die Worte mit seiner Aufzeichnung. »Ne sis confisus illis, qui te adiuvare student«, las er vor, und der Schäfer wiederholte die Worte.
»Ja, ja, das weiß ich jetzt. Können Sie auch etwas anderes sagen? Hoc sit exemplum! Wenn ich nur wüsste, wie es weiterging... Hören Sie? Hoc sit exemplum... veni, vidi, vici..."
Die Augen des Schäfers hatten Patrick gefunden und hefteten sich wieder auf ihn. Seine Stimme war jedoch nicht mehr so fest wie zuvor, als er sprach: »Ne intraveris...«
Patrick notierte sich, was er hörte, und wiederholte es. Aber der Schäfer sprach immer leiser, und Patrick musste sein Ohr dichter an dessen Mund halten. »Ne intra... eris... et cogno... sce... scientiam.«
»Lauter, sprechen Sie lauter!« Hastig kritzelte Patrick seine Notizen.
»Ne intra... eris... cogno... scientia...« Die Worte waren schon kaum noch verständlich.
»Ne intraveris cogno scientiam? Jacques! Noch einmal! Veni, vidi, vici, hören Sie?« Die Augen des Schäfers ließen von ihm ab und starrten wieder ins Leere.
Verflucht! Patrick kämpfte gegen den Drang an, den Unglücklichen wachzuschütteln. Jetzt war er wieder weg. Ganz so, als sei er plötzlich erschöpft, oder als hätte er das Wichtigste gesagt. Nun, vielleicht hatte er es ja. Patrick hoffte, dass Peter ihm beim Entschlüsseln der Worte helfen konnte. Einmal wollte er es noch versuchen.
»Ave. Jacques! Ave!«
Der Mann bewegte sich ein wenig, wie ein Schläfer, der nicht geweckt werden wollte. Patrick fasste ihn an der Schulter und rüttelte ihn sanft. »Ave, Jacques... sind Sie noch da? Hören Sie mich noch? Wo sind Sie? Quo vadis?« Der Gedanke war Patrick plötzlich gekommen. Quo vadis , wohin gehst du. »Quo vadis?!«, wiederholte er eindringlich und sprach es noch ein drittes Mal ganz nah und direkt in das Ohr des Schäfers.
Die Antwort kam in langsamen
Weitere Kostenlose Bücher