Projekt Babylon
nützlich sein.« Sie setzte sich an den Konferenztisch und breitete ihre Notizzettcl aus. Sie enthielten Abschriften der Texte aus der Höhle, Skizzen und Symbole. Ihre beiden Kollegen setzten sich dazu. Patrick zündete eine Zigarette an und lehnte sich zurück.
»Ja, es würde mich tatsächlich stören, wenn Sie rauchen«, sagte Stefanie. »Danke, dass Sie gefragt haben.«
Patrick setzte zu einer Antwort an, doch als er Peters eindringlichem Blick begegnete, verzog er den Mund und drückte seine Zigarette mürrisch aus.
»Die Menge der Texte in der Höhle ist ja schier überwältigend«, fing Stefanie an, »ich habe mir heute nur die Texte angesehen und abgeschrieben, deren Sprachen ich selbst einigermaßen zügig übersetzen kann. Dabei ist uns aber schon etwas aufgefallen. Wie Sie beide ja schon festgestellt hatten, gibt es zwei verschiedene Arten von Texten. Die einen sind akribisch ausgeführt und passen sich zum Teil sogar kunstvoll den Formen des Untergrundes an, und sie scheinen sich an keiner Stelle zu überschneiden. Vielleicht wurden sie alle zur selben Zeit angebracht. Hierbei handelt es sich in der Regel um längere Texte. Wir haben diese die ›Urtexte‹ genannt. Die anderen Inschriften sind häufig fast unleserlich, wirken dahingeschmiert, wie eine Art mittelalterliches Graffiti. Mit einigen Ausnahmen sind das meiste kurze Texte, wenige Zeilen, nur ein paar Sätze oder Wörter. Diese Texte sind zu einem späteren Zeitpunkt angebracht worden, was auch daran zu sehen ist, dass sie die Urtexte häufig überdecken.«
»Die Zeichnung der Rose«, überlegte Patrick, »mit dem Spruch darunter...«
»...ist ein Graffiti-Text«, ergänzte Stefanie.
»Und was schließen Sie daraus? Dass irgendein Dilettant ein paar hundert Jahre später die Höhle gefunden und sie voll gekritzelt hat?«
»Wer weiß? Nach einem Tag können wir natürlich nicht sicher sein, ob diese Klassifizierung in zwei Text-Kategorien wirklich für alle Inschriften gültig ist. Und was das bedeutet, steht sowieso auf einem anderen Blatt, aber es ist zumindest ein Anhaltspunkt.«
»Stefanie hat beim ersten Entziffern möglicherweise weitere Hinweise gefunden, die die Texte voneinander unterscheiden«, sagte Peter. »Anscheinend wurde ein ganzer Teil nicht nur später und unsauberer angebracht, der inhaltliche Zusammenhang ist auch ein anderer.«
Patrick spielte mit seinem Feuerzeug. »Dann schießen Sie mal los.«
»Also«, begann Stefanie erneut, »bei den Urtexten handelt es sich, soweit ich das bisher sagen kann, um klassische Texte, also Teile bekannter Werke. Da sind eine Menge Passagen der Bibel zu finden, aber auch Ausschnitte aus klassischen lateinischen oder griechischen Werken. Bei den hebräischen Texten handelt es sich um Teile der Thora, den Büchern Moses. Wenn meine Theorie stimmt, werden wir feststellen, dass die Texte in Keilschrift aus dem sumerischen Gilgamesch-Epos stammen.«
»Was genau besagt denn Ihre Theorie?«
»Die Texte sind nicht alle direkt religiöser Natur, aber aus irgendeinem Grund haben sie alle Schöpfungsgeschichten oder Fragen nach dem Ursprung oder der Vergangenheit der Menschen zum Thema. Wer auch immer die Inschriften hinterlassen hat, konnte oder wollte keine eigenen Texte formulieren, sondern nahm bewusst Bezug auf bereits vorhandene Quellen.«
»Das könnte ein Zeichen für mangelnde Kreativität oder Analphabetismus sein«, meinte Patrick.
»Sie meinen, jemand hat einfach irgendwas abgeschrieben?«, fragte Peter.
»Das halte ich für unwahrscheinlich«, entgegnete Stefanie. »Wer auch immer die Höhle ausgemalt hat, war sich sehr wohl der Inhalte der Texte bewusst. Die Umbrüche und Gruppierungen sind durchweg logisch und korrekt. Es war sicherlich kein Akt blinden Abschreibens.«
»Warum zitiert dann jemand die Weltliteratur?« Patrick tastete wieder nach seiner Zigarettenschachtel, zögerte, legte sie dann aber lediglich vor sich auf den Tisch.
»Vielleicht um auf etwas hinzuweisen?« Peter überlegte laut. »Etwas, das alle Texte gemeinsam haben, oder etwas, das sie alle unterscheidet?«
»Dass es einen tiefer liegenden Sinn geben muss«, warf Stefanie ein, »darauf scheint ja auch der Spruch unter der Rose hinzuweisen: › Dies sei ein Beispiel, denen, die mir folgen. ‹ Es gibt wohl irgendetwas aus den Texten zu lernen.«
»Schön und gut. Die ›Urtexte‹ sind also Schöpfungsgeschichten. Und was haben die anderen, die ›Graffiti-Sprüche‹ gemeinsam?« Patrick fand die
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