Projekt Babylon
wir ja Renée nicht auf die Nase binden.«
Patrick hob anerkennend die Augenbrauen. »Sie überraschen mich, Peter!«
»Es mag ja im Übrigen durchaus alles so geschehen sein: Christian Rosenkreuz im fünfzehnten Jahrhundert und Martin Luther, der ihm nacheifern wollte. Möglicherweise hat einer von beiden unsere Höhle entdeckt. Und weil die Rosenkreuzer die Zusammenarbeit aller Wissenschaftler über Nationalitäten, Gesinnungen und Fakultäten hinweg proklamierten, schrieb derjenige an die Wand: › Dies sei ein Beispiel meinen Jüngern. ‹«
»Das klingt plausibel«, sagte Patrick. »Aber leider wissen wir dann noch immer nicht, welchen Ursprung die Höhle hat.«
»So ist es. Das Symbol der Kreise ist jetzt unser einziger Anhaltspunkt, und bis wir die Inschrift entschlüsselt haben, sollten wir alles aus Renée herauskitzeln, was sie weiß.«
»Sie glauben, dass sie uns immer noch etwas verheimlicht?«
»Sicherlich! Sie lebt und arbeitet wie in einer anderen Welt, von der ich durch meine Recherchen wie in Platons Höhlengleichnis quasi nur die Schatten an der Wand gesehen habe. Sie weiß noch eine ganze Menge, aber sie ist viel zu intelligent, um uns jetzt schon alles zu offenbaren.«
»Erlauben Sie, dass ich Ihnen helfe?«
Patrick und Peter fuhren herum, als plötzlich ein junger Mann hinter ihnen stand. Er mochte höchstens Anfang dreißig sein, war in einen modischen und sicherlich teuren Dreiteiler gekleidet und trug ein offenes, weltmännisches Lächeln zur Schau. Er hatte kurzes, zu Stacheln gegeltes dunkles Haar, Lachfalten in den Augenwinkeln und wirkte wie aus einer Casting-Mappe für jung-dynamische Schauspieler.
»Mein Name ist Ash Modai. Entschuldigen Sie, wenn ich mich Ihnen etwas unverfroren aufdränge. Aber ich wurde Zeuge Ihrer letzten Worte, in denen Sie von einer anderen Welt sprachen. Daher möchte ich mich anbieten, Sie hier ein wenig bekannt zu machen.«
»Das ist sehr freundlich«, begann Peter, »Monsieur...«
»Nennen Sie mich einfach Ash.«
»... Ash. Wirklich freundlich von Ihnen. Aber wie kommen Sie darauf, dass wir uns über dieses Symposium unterhalten haben?«
»Man sieht Ihnen deutlich an, dass Sie nicht hierher gehören. Da irre ich mich doch nicht, oder?«
»Kommt ganz darauf an, was Sie damit meinen«, schränkte Patrick ein.
»Sie gehören nicht hierher, weil Sie nicht an Abrakadabra glauben, nicht an kabbalistische Buchstabenspiele oder die Wahre Thora.« Ash setzte eine Art verschwörerisches Lächeln auf und beugte sich beim Sprechen ein wenig vor, als ginge es um eine Besprechung auf dem Football-Feld. »Weil Sie keinen Respekt haben vor dem Ewigen Juden, dem Grafen von Saint Germain, weil Sie den Prophezeiungen des Nostradamus ebenso wenig Glauben schenken wie den Tränen der Schwarzen Madonna. Sie haben noch nie etwas vom Homunculus gehört und kennen weder die Namen der Erzengel noch die der Fürsten der Dämonenlegionen. Höchstwahrscheinlich denken Sie, Paracelsus war ein Arzt und Hugues de Payens ein Kreuzritter. Habe ich Recht?«
Peter zögerte, aber Patrick antwortete für beide: »Ja, da haben Sie verdammt Recht. Haben Sie damit ein Problem?«
Ash lachte auf. »Aber nein! Keineswegs! Auf dem Symposium wird nicht missioniert. So will es das Gesetz von jeher. Jeder der heute hier Anwesenden hat seine eigene Wahrheit dabei. Und die eigene Wahrheit ist natürlich üblicherweise gleichzeitig Gegenstand der Ablehnung und Verachtung durch die anderen. Durch unseren gegenseitigen Respekt sind wir auf dem Symposium alle gleich.« Er machte eine unschuldige Geste. »Nur man selbst ist natürlich stets gleicher als die anderen.« Er lachte erneut.
»Und woran glauben Sie?«
»Ich darf es Ihnen nicht sagen, und es tut auch nichts zur Sache, Monsieur...«
»Patrick Nevreux. Und dies ist mein Kollege Professor Peter Lavell.«
Der smarte Ash verharrte einen Augenblick. »Professor Lavell, etwa der Professor Lavell?«
»Mir ist nicht bekannt, dass ich einen Namensvetter hätte«, sagte Peter.
»Sie kennen sich?«, fragte Patrick.
»Nein, nicht persönlich. Aber Ihr ›Wirken‹ hat in unseren Gewässern durchaus seine Kreise gezogen. Einige von uns sind dabei gut weggekommen, andere weniger gut.«
»Fragt sich, zu welchen Sie gehören«, sagte Peter.
»Ich hege keine persönlichen Ressentiments, Herr Professor«, sagte Ash mit einem Lächeln. »Aber andererseits, was zählen persönliche Meinungen, wenn so große Dinge im Spiel sind wie Glauben oder die
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