Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
war stocksauer gewesen. Daraufhin hatte er sich umgedreht und dasselbe in ihre Richtung wiederholt. Was sie erneut stocksauer gemacht hatte.
Warum musste der Mann dermaßen sinnliche Lippen haben?
Nachdem die anderen Mitglieder der Schwadron sich auf den Weg gemacht hatten, kontaktierte Jet Meteorite und ließ sich bestätigen, dass Ops alle verfügbaren Kräfte zum Staatsgefängnis von Illinois beordert hatte und Commissioner Wagner über alles informiert war. Meteorite lachte und versicherte Jet, sie wisse schon, wie sie ihren Job zu machen habe.
»Du musst dich wirklich mal entspannen«, riet sie Jet. »Vielleicht solltest du dir mal für ein paar Stunden Taser ausleihen.«
Licht, die Frau war wirklich unverbesserlich. Da half es auch nichts, dass ein Teil von Jet den Vorschlag für eine irre gute Idee hielt. Sie schaltete ihr Comlink aus und stellte das weiße Rauschen ein. Es würde nicht genügen, um die Schattenstimmen wirklich im Zaum zu halten, aber jede kleine Ruhepause half schon.
Licht, bitte lass mich nicht zu früh wahnsinnig werden!
»Nervös?«, fragte Iri. Sie musste mitbekommen haben, dass Jet sich dauernd ans Ohr tippte.
»Ich habe dieses weiße Rauschen so satt.«
»Jaja, Wasserfälle sind langweilig. Vielleicht solltest du es mal mit klassischer Rockmusik versuchen.«
Jet grinste. »Erinnerst du dich noch an die Talentshow im ersten Ausbildungsjahr?«
»Oh, mein Gott!«, stöhnte Iri lachend. »Als Dawnlighter auf die Bühne gegangen ist und dieses Lied gesungen hat … wie war das noch mal?«
»›Stairway to Heaven‹.«
»Hah! Richtig! Ich hab tagelang nur noch Led Zeppelin gehört, um ihr Geheule aus den Ohren zu kriegen.«
Sie lachten beide, und es fühlte sich gut an. Dann fing Iri an zu piepen. Oder genauer, das Handgerät in ihrer Tasche piepte. Sie zog es heraus, und als sie die eingegangene Nachricht gelesen hatte, schnitt sie eine Grimasse und stöhnte. »Na super. Gordon scheint ein kleines bisschen sauer zu sein.«
»Und? Was will unser glorreicher Führer jetzt schon wieder?«, fragte ihr Vater.
»Uns sehen. Sofort. Bei mir.«
»Also gut. Dann wollen wir den Kerl mal nicht so lange warten lassen, was?« Er drehte sich zu Jet und lächelte. »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«
»Ganz sicher.« Allerdings wusste sie nicht, ob es in einer Eindämmungszelle im Blackbird sein würde oder nicht.
Dann bestiegen Arclight, Lionheart, Kindle und Nevermore zwei Gleiter. Protean, ihr Muskelmann, winkte scheu, bevor er sich ebenfalls hineinzwängte.
Irgendwie war er ganz nett. Für einen Schurken.
Iri trödelte. »Was machst du denn jetzt so?«
»Ich gehe zurück ins Hauptquartier und werde mir eine ausführliche heiße Dusche gönnen. Warum?«
Iridium sah lächelnd ihrem Vater und den anderen Ex-Häftlingen nach, wie sie davonflogen. »Ich wollte mir was zu essen besorgen. Mexikanisch. Vielleicht Tacos. Und eine große, fette Margarita.«
Jet lachte sanft. »Klingt göttlich.«
Iri warf ihr einen Blick zu. Sie lächelte immer noch. »Willst du mitkommen?«
Jet sah ihr direkt in die Augen. Dann lächelte auch sie. »Liebend gerne.«
»Ich komme nach, sobald ich mir meine Abreibung geholt habe.« Mit diesen Worten sprang sie in Boxers Gleiter, und die beiden Verbrecher – Ex-Verbrecher? – hoben ab. Jet blieb allein zurück, um auf Commissioner Wagner zu warten, der eine offizielle Erklärung zu den Vorgängen abgeben musste, oder auf das Eindämmungsteam, das ihr die Mutanten abnehmen würde. Wie auch immer.
Sie starrte auf den riesigen Haufen verkrümmter, bewusstloser Gestalten. Es waren mehr als fünfzig, vielleicht sogar knapp hundert. Tief in ihrem Inneren regte sich Zorn, ließ ihr Blut kochen. Everyman würde eine Menge zu erklären haben.
Und Martin Moore noch mehr.
Jetzt, da sie alle Daten von Corp heruntergeladen hatten und unzählige Runner ihnen bei der Entschlüsselung halfen, hoffte Jet inständig, sie würden etwas finden, das Moore belastete und, was noch besser wäre, Everyman in Verbindung brachte mit - Ein Pulsieren zwischen den Augen, ganz leicht, der Vorbote furchtbarer Schmerzen.
Jet stieß einen tiefen Seufzer aus. Nun, die Dinge waren ins Rollen gekommen. Sie dachte an Lynda Kidder, eine Frau, die besessen davon gewesen war, die Wahrheit herauszufinden – eine Wahrheit, die sie allzu früh ins Grab gebracht hatte. Es wird Gerechtigkeit geübt werden, versprach sie der Reporterin im Stillen. Ihr Tod wird nicht umsonst gewesen sein.
Es
Weitere Kostenlose Bücher