Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht

zugänglich, vermutete sie. Entweder das, oder Corp war wirklich dumm genug zu glauben, ein Haufen mit Drogen vollgepumpter, übergewichtiger Ex-Schurken sei keine reale Gefahr.
    Und warum auch, wo doch die echten Psychopathen Ganzkörperanzüge in den Farben von Corp trugen?
    Gerade wollte Iridium den Befehl eingeben, da küssten Lippen aus kaltem Stahl ihren Nacken. Der Größe und dem Gefühl nach zu urteilen, war es eine Plasmapistole. Eine kleine. Trotzdem. Ein heißer Strahl von so einem Ding im Kopf, und das war’s.
    »Nimm die Hände von der Tastatur, junge Dame.« Es war die Stimme eines Mannes. Hoch, leise.
    Iridiums Hände wurden schweißnass, als sie eine Strobokugel rief.
    »Und glaub ja nicht, dass du schneller bist als ich. Ich habe eine militärische Ausbildung. Ich war Soldat, bevor ich aus der Armee ausschied und zu Corp-Co ging. Ich fürchte den Tod nicht. Noch im Sterben würde ich den Abzug drücken und du wärst einen halben Kopf kürzer. Das wollen wir doch beide nicht, oder? Also verschone mich bitte mit deiner Lichtshow.«
    Die kalte Stahlmündung war immer noch an ihrem Kopf.
    Iridium senkte die Hände. »In Ordnung, der Vorteil ist auf deiner Seite. Darf ich wenigstens mal sehen, mit wem ich rede?«
    »Also gut. Dreh dich um.«
    Die Waffe wurde heruntergenommen und Iridium reagierte blitzschnell. Noch im Fallen trat sie zu. Sie spürte, wie ihr Stiefel eine Kniescheibe traf, hörte ein stöhnendes Grunzen und feuerte eine Strobokugel ab, ohne zu zielen.
    Der Mann wurde von dem Einschlag zurückgeworfen und krachte in die gegenüberliegende Wand. Seine Pistole hielt er jedoch fest. Dann feuerte er sie ab. Der Schuss hinterließ ein qualmendes Loch in der Tür des Kontrollraums.
    »Das war ein Warnschuss.« Er hatte eine Glatze, und sein Gesicht war feuerrot. Mit dem unscheinbaren grauen Anzug und dem Schlips, den er trug, sah er aus wie ein guter Lakai. Seine riesigen Hände waren rau und mit Narben übersät. Wie gemacht zum Prügeln und Knochenbrechen. »Der nächste wird dir das Herz aus dem Leib brennen.«
    Iridiums Nasenflügel bebten, als ein Geruch von Plasma sich verbreitete. »Na, was nun? Willst du mich auch hier einsperren? Ich habe genauso wenig Angst vor dem Tod wie du. Ich werde dich grillen, wenn du auch nur einen Schritt näher kommst.«
    Er lächelte und entblößte dabei seine Zähne. »Junge Dame, wenn ich wollte, dass du eingesperrt wärst, würdest du es längst sein. Ich bin nicht hier, um dich gefangen zu nehmen.«
    »Nun, dann lass mich doch mal raten … Tanzwettbewerb?«
    Er steckte die Plasmapistole in seine Jacke und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. »Mein Name ist Gordon.«
    »Wie nett. Hast du auch einen Vornamen?«
    »Nur Gordon.« Er rückte seine Manschetten zurecht und band den Schlips fest. »Ich bin befugt, Ihnen einen Handel anzubieten, Miss Bradford.«
    Iridium verschränkte die Arme. »Ich höre«, sagte sie, aber nur, weil sie davon ausging, dass er sie niederschießen würde, sobald sie in ihrer Aufmerksamkeit nachließ.
    »Die Stadt kann diesem Chaos nicht länger standhalten«, sagte er. »Die von der Schwadron noch übrig sind, arbeiten ineffektiv. Außerdem sind sie zu wenige, selbst dann, wenn es ihnen gelänge, sich zusammenzutun und gemeinsam zu kämpfen. Wir brauchen zielorientierte Männer – und Frauen. Solche, die es gewohnt sind, die Führung zu übernehmen. Solche, denen es nichts ausmacht, Blut zu vergießen. Solche, die in der Lage sind, die Ordnung dem brüllenden Schlund des Chaos wieder zu entreißen.«
    »Du hörst dich gern reden, was?«, sagte Iridium. »Sabbeln oder nicht sabbeln, das ist hier die Frage …«
    »Halt die Klappe!« Der Ton von Gordons Stimme kippte im Bruchteil einer Sekunde von sanft nach schneidend. »Dein Vater und die fünf, die er genannt hat – wir werden ihrer Entlassung zustimmen.«
    Iridium spürte, wie ihre Augenbrauen von allein hochgingen. »Falls?«
    »Falls«, erwiderte Gordon und knöpfte seine Anzugjacke über der Pistole zu, »sie zustimmen, New Chicago wieder unter die Kontrolle von Corp zu bringen.«

ZWISCHENSPIEL
     
     
    Garth will nur eins: nach Hause. Oder, um genauer zu sein, weg von der Straße. Es liegt eine derartige Spannung in der Luft, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellen. Und seine verdammten Augen brennen. Vielleicht kommt das von den ganzen Energierückständen. Die letzten paar Tage sind hier alle möglichen Superkräfte hin und her gezischt, wie bei