Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
umherstreunte. Dank Gordon hatten sie inzwischen auch alle ein passendes Kostüm. Und bis auf Nevermore schienen sie im Moment eher daran interessiert zu sein, ihre neuen technischen Hilfsmittel auszuprobieren, als anderen Leuten auf die Nerven zu gehen.
»Ihr habt Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen. Ihr seid einfach in deren Wohnung reingeplatzt«, schimpfte Iridium zähneknirschend. »Ihr hättet jemanden töten können, ganz zu schweigen davon, wie Radar Screamer gefoltert hat. Der Typ ist ein fauler Apfel, Dad, und das weißt du auch.«
Mit einer Handbewegung schnitt ihr Lester das Wort ab. »Genug. Ich bin der Anführer meines Teams, und ich lasse nicht zu, dass meine Entscheidungen infrage gestellt werden. Schon gar nicht von meiner eigenen Tochter.«
»Genau darum geht es ja!«, schrie Iridium. »Nicht du hast das Sagen, sondern Corp!«
Ihr Vater spannte die Muskeln an, als wollte er sie schlagen, und die Leuchtstoffleisten an Iridiums Decke sprühten vor Energieüberlastung Funken.
»Du weißt, dass ich recht habe, Dad«, sagte sie weich. »Wir können Gordon nicht trauen. Die werden uns ohne Umschweife wieder ins Gefängnis stecken, wenn sie mit uns fertig sind und Corp Verstärkung schickt, um die Stadt zurückzuerobern. Wir müssen höllisch aufpassen.«
»Ich gehe nie wieder zurück«, antwortete Lester, fast ebenso leise. »Und ich würde niemals zulassen, dass sie mein kleines Mädchen einsperren.« Er ergriff Callies Hände. »Eher sterbe ich.«
»Ich weiß, Dad«, sagte Iridium. »Ich weiß. Aber können wir nicht wenigstens Radar irgendwie loswerden?«
»Das Team ist für uns da und wir für das Team«, gab Lester zurück. »Wenn wir uns von Gordons Leine losreißen, dann brauchen wir jeden Einzelnen von ihnen. Auch Radar.«
Iridium öffnete die Tür einen Spaltbreit und sah wieder hinaus auf die Schurken, die sich in ihrem Lagerhaus tummelten. »Weißt du, wir hätten mehr Erfolg, wenn ich Jet kontaktieren würde und …«
»Nein, Callie.« Lesters Stimme wurde schroff – und dann war es Arclight, der sprach. »Nicht Joan. Sie ist nicht die Lösung unserer Probleme.«
»Wie kannst du das wissen, Dad?« Iridium hob die Hände. »Jet hat nicht den Verstand verloren wie die anderen. Sie ist immer noch stark und bekämpft die Abtrünnigen, genau wie wir. Wir werden ein paar Verbündete brauchen, wenn wir gegen Corp vorgehen wollen. Wieder. Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass das für unsere Familie beim letzten Mal nicht gerade gut gelaufen ist?«
»Joan Greene ist eine tickende Zeitbombe«, erwiderte Lester. Er presste die Kiefer aufeinander, als ob die Wahrheit ihm Schmerzen bereitete. »Die Frage ist doch nicht, ob sie ihrem Vater in den Wahnsinn folgt. Die Frage ist, wann.«
»Wie kannst du so was sagen!« Iridiums Kräfte verursachten einen Kurzschluss in ihrer 3D-Einheit. »Jet ist ein guter Mensch, Dad.«
»Ich sage das, weil ich dort war, Callie. Ich weiß, was passieren kann, wenn der Schatten Besitz von einer Person ergreift.«
Sie schwiegen, während Iridium seine letzten Worte verdaute. »Die Schwadron könnte ein guter Verbündeter sein.«
»Und wie lange würde es dauern, bis diese Verbündeten unsere Methoden infrage stellen und Corps Job für sie übernehmen?«, höhnte Lester. »Wenn du schon wegen einer zerstörten Wohnung hier rumheulst, dann stell dir doch mal vor, wie diese Gutmenschen auf einige Dinge reagieren werden, die wir im Kampf tun.«
»Du bist ein unerträglicher alter Mann.« Iridium ließ ihren Vater sitzen und stürmte durch die Lagerhalle.
Protean, die riesige Erdmacht, sah erstaunt von einem seiner altmodischen Bücher auf. »Alles in Ordnung, Kleine?«
»Ich bin niemandes ›Kleine‹, verdammt noch mal!«, schnappte Iridium. »Und außerdem geht dich das einen feuchten Dreck an.«
»Uuuh … wie rührend.« Mit einem affektierten Grinsen glitt Nevermore von einer der Galerien herunter. Ihr glattes schwarzes Haar, das schwarze Augen-Make-up und die schwarzen Sachen verliehen ihr das Aussehen einer Porzellanpuppe.
Iridium erschuf eine Strobokugel. »Du willst dich nicht wirklich mit mir anlegen, Blassgesicht.«
»Kinder, Kinder.«
Die Stimme schlängelte sich über Iridiums Haut, tief und angenehm wie die eines Hypnotiseurs. Sie erschauerte, als Radar aus der Küche kam, in den Händen ein Sojahühnchen. Ihr Sojahühnchen. Er war aalglatt und nicht zu fassen. Seine viel zu strahlenden Augen hingen immer zu lange auf allen Dingen, die
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