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Projekt Sakkara

Titel: Projekt Sakkara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Sektengurus und voluminösen Damen meines Semesters.«
    Die Vorstellung jagte Patrick einen Schauder über den Rücken, und er lachte auf. »Aber das Auge und die Pyramide«, fragte er dann, »was hat das in deren Logo zu suchen? Könnte das nicht interessant für uns sein?«
    »Ich hatte doch gesagt, dass das Allsehende Auge eine gewisse mystische Tradition hat. Nicht nur das Christentum oder die Freimaurer verwenden das Symbol, wie Sie sehen. Nur weil es auf diesem Anhänger auftaucht, ist es keine Spur, die wir verfolgen sollten.«
    Patrick nickte. Insbesondere nach den Erlebnissen in Südfrankreich, wo sie entführt und in die Hände einer fanatischen Sekte geraten waren, konnte er Peters Haltung verstehen. Aber den Abend mit Melissa wollte er sich dennoch nicht verderben lassen – schließlich wusste er jetzt umso besser, worauf er sich einließ. Und gegen so eine Tantra-Geschichte mit Melissa hätte er auch nicht unbedingt etwas einzuwenden.

Kapitel 5
     
    23. Juli 1940, Fischerboot, östliches Mittelmeer
     
    Noch etwa eine Stunde sollte die Fahrt dauern. Das hatte ihm jedenfalls der alte Türke versichert. Der Rest seiner Ausführungen war nur schwer zu verstehen gewesen, da das Englisch des Fischers leidlich war. Ausladende Armbewegungen, etwas über das Boot, den Himmel und mal wütende und mal beruhigende Gesten hatten sich abgewechselt. Und immer wieder »Mister James«. So hatte er sich dem Alten vorgestellt, worauf dieser seinen Mund zu einem herzlichen, wenngleich nahezu zahnlosen Grinsen verzogen hatte – wohl ahnend, dass dies nicht der wirkliche Name des jungen Engländers war.
    James stand am Bug und sah zum Horizont. Auf diese Weise war das Auf und Ab der Wellen besser für ihn zu ertragen. In der winzigen, offenen Kabine, in der der Alte auf einem Hocker saß und den Kahn lenkte, war es ihm vorhin fast schlecht geworden. Die pendelnde Blechlaterne, die unter der Decke hing, erzeugte ein wankendes Schattenspiel und schien das Schaukeln noch zu verstärken, während man gleichzeitig aus dem Kämmerchen nur schwer in die Dunkelheit sehen und sich dem Wellengang anpassen konnte. Also stand er nun hier vorne im Wind. Während die Gischt einen salzigen Film auf sein Gesicht legte, ging er im Geiste den Weg durch, den er vom Hafen zum Palast nehmen würde. Sicherlich kontrollierten die Italiener seit Kriegsbeginn alle Häfen und Straßen der Insel. Weiter im Süden, in den kleineren Fischerhäfen, war es vermutlich einfacher, ungesehen zu passieren, aber dann musste er sich über Land schlagen und konnte an jedem anderen Checkpoint auffliegen. Er wollte das Risiko lieber dadurch verringern, dass er eine möglichst kurze Strecke zurücklegte, und daher musste er in einem der größeren Häfen in der Nähe der Stadt von Bord gehen. Einem Fischerboot würde ohnehin nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eine einzelne Person stellte kaum eine Bedrohung dar und konnte im Zwielicht der Hafenbeleuchtung leicht untertauchen.
    Als es ihm im Fahrtwind zu kalt wurde, ging er zum Heck und beobachtete die helle Schaumspur, die sie in den Wellen hinter sich herzogen wie ein Papierdrache seinen Schwanz. Es war ein sonderbarer Weg, der ihn hierhergeführt hatte. Gestern war er in Izmir gewesen, noch vor einer Woche in Istanbul, vor einem Monat in Kairo, und vor einem Jahr in London. Hatte er nicht gerade noch studiert, seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag in London gefeiert? Und nun war er ein winziger Punkt irgendwo auf dem Meer. Und trotz aller scheinbaren Verlorenheit war dies hier von so großer Bedeutung. Die zahllosen Wege, die die Vergangenheit in den letzten Hunderten und Tausenden von Jahren eingeschlagen hatte, sie alle konzentrierten sich nun auf ihn und seine Fahrt zur Insel, zum Palast. Wenn er die Stele tatsächlich fand, dann war es, als ob er einen Knoten löste. Dann stellte er die Sanduhr der Geschichte wieder auf den Kopf, und alles würde sich erneut entfalten und seinen Lauf nehmen.
    Nach einer Weile ging er zurück in die Kabine und setzte sich hinter dem Alten auf einen Stuhl. Das dunkle, endlose Wasser machte ihn nervös, und hier fühlte er sich irgendwie etwas sicherer. Zumindest, bis die Übelkeit wieder einsetzte.
    »Drink, Mister James?«, fragte der Türke und drehte sich zu ihm um. Dabei nickte er mit einem faltigen Grinsen und reichte ihm eine bauchige Trinkflasche. James nahm sie zögernd entgegen. Das glänzende Gefäß war arg zerbeult, Emaille war abgeplatzt, und schwarzes

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