Projekt Wintermond
Wenn sie sich nicht wieder meldet, können wir die Sache vergessen.«
»Wer weiß, ob sie sich wieder meldet, Danny!«
»Genau das ist die schlechte Nachricht.«
Mark hatte Angst, zu ertrinken. Salzwasser schwappte ihm in den Mund. Immer wieder schlugen Wellen über seinem Kopf zusammen. Verzweifelt klammerte er sich an das Seil. Staves stand auf dem Steg und hielt die Waffe auf ihn gerichtet. Mark hatte keine Möglichkeit zur Flucht. Er hatte gehofft, Staves ins Wasser reißen zu können, doch der Killer war auf der Hut. Hätte er das Seil durchgeschnitten, wäre Mark binnen Sekunden ertrunken.
Mark überlegte fieberhaft, wie er entkommen könnte, sobald er auf den Steg zurückkletterte.
Er hatte das Seil durchgeschnitten, mit dem der schwarze Plastikbeutel an den Balken geknotet war, und hielt nun das Schweizer Messer. Der Beutel war schwer und barg einen rechteckigen Gegenstand. Mark presste ihn an seine Brust und kletterte mühsam die Leiter hinauf. Die eisigen Wogen spülten über ihn hinweg.
»Werfen Sie das Messer weg!«, brüllte Staves. »Und dann kommen Sie her. Passen Sie auf den Beutel auf.«
Verdammt. Mark hatte sich an die Hoffnung geklammert, Staves würde das Messer in der Aufregung für einen Moment vergessen.
»Na los! Das Messer weg, Ryan!«
Mark warf das Messer auf den Steg. Staves zog am Seil. Als Mark die letzte Sprosse der Leiter erreicht hatte, kniete er sich erschöpft hin. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Kräfte zu sammeln, sich auf Staves zu stürzen und das Risiko einzugehen, erschossen zu werden. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Staves beugte sich hinunter, um den Plastikbeutel aufzuheben. Mark holte tief Luft und setzte zum Sprung auf den Killer an, als ein Schuss durch die Dunkelheit peitschte. Dann ein zweiter, ein dritter.
Im Haus wurde geschossen. Jennifer! Bobby! Mark richtete sich auf. Staves ergriff den Plastikbeutel und versetzte Mark einen Tritt. »Mach’s gut, Blödmann.«
Mark stürzte ins Wasser. Die Wellen brachen über ihm zusammen. Staves feuerte einen Schuss auf ihn ab, ehe er sich umdrehte und davonstürmte.
92
Jennifer rannte um ihr Leben. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Bis zum Haus der Ryans waren es noch fünfzig Meter. Sie sah die weiße Eingangstür und die Stufen, die zur Veranda hinaufführten. Über den Himmel zuckten Blitze. Jennifer schlug das Herz bis zum Hals, als sie einen ängstlichen Blick über die Schulter warf. Kelso rannte über die Straße.
O Gott, er wird mich töten!
Noch vierzig Meter bis zur Tür.
Der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Kelso war ihr dicht auf den Fersen. Jennifer wagte nicht, einen zweiten Blick nach hinten zu werfen. Es würde nur noch Sekunden dauern, bis Kelso sie eingeholt hatte .
Noch zehn Meter.
Jennifer sprang die Stufen hinauf und warf den Blumentopf um, unter dem der Ersatzschlüssel lag. Mit zitternder Hand steckte sie den Schlüssel ins Schloss, stieß die Tür auf und schaltete das Licht ein. Ihr Blick fiel auf die Treppe. Sie lief die Stufen in den ersten Stock hinauf.
Sekunden später erreichte Kelso die Eingangshalle. Er war schweißüberströmt und durchnässt. Mit dem Blick eines wilden Tieres, das Blut gewittert hat, starrte er auf die nassen Schuhabdrücke auf der Treppe und knirschte mit den Zähnen. »Miststück«, zischte er.
Dann stürmte er die Treppe hinauf.
Im ersten Stock gab es sechs Türen. Hinter welcher war das elterliche Schlafzimmer? Das Haus war anders aufgeteilt als ihr Elternhaus. Und sämtliche Türen waren verschlossen. Jennifer wusste nicht, in welchem Raum sie zuerst ihr Glück versuchen sollte. Wo stand der Schreibtisch, in dem die Waffe lag?
Sie öffnete die erste Tür, die in eine Abstellkammer führte. Vermutlich hatte das Zimmer einst Mark oder einem seiner Brüder gehört. Jennifer lief zum nächsten Raum und stieß die Tür auf. Dieses Schlafzimmer mit Blick auf den Garten hinter dem Haus war größer, doch es war nicht das Elternschlafzimmer. Jennifer hörte Geräusche auf der Diele. Schritte. Keuchen.
Jemand betrat das Haus.
Kelso.
Verzweifelt riss Jennifer die nächste Tür auf und lief in den Raum. Das Licht ließ sie aus. Sie hörte Schritte auf der Treppe. Kelso war ihr dicht auf den Fersen.
Jennifer ließ den Blick schweifen. Die Vorhänge waren nicht zugezogen. Das Licht der Blitze verlieh den Wänden einen blauweißen Schimmer. Auf einem dunklen Holzschreibtisch standen gerahmte Familienfotos und ein Telefon. Dies musste das
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