Projekt Wintermond
wissentlich in Gefahr gebracht. Ich wusste es die ganze Zeit. Mark, ich will nicht, dass er auf einem Berg, tausende Kilometer von hier, im Eis begraben liegt…«
Mark drückte ihre Hand. »Ich werde seinen Leichnam suchen lassen, Jenny. Versprochen.«
Jennifer nickte. »Würdest du noch etwas für mich tun?«
»Alles.«
»Würdest du Bobby hierher bringen? Ich muss ihm etwas sagen.«
»Du möchtest hier mit ihm sprechen?«
Jennifer nickte. »Hier haben wir oft mit unserem Vater gesessen.«
»Okay, ich leihe mir einen Rollstuhl von den Sanitätern.« Mark ließ ihre Hand behutsam los, stand auf und schaute sie an. »Ich gebe nicht auf.«
»Ich weiß.«
»Wenn du eine Schulter zum Anlehnen oder jemanden zum Zuhören brauchst, kannst du mich jederzeit anrufen.«
Jennifer verstand die Botschaft. »Du bist der Erste, den ich anrufe. Und ich glaube, du wirst immer der Erste bleiben.«
»Es gäbe noch vieles zu sagen, aber es ist wohl besser, wenn wir ein andermal darüber sprechen«, sagte Mark, ehe er davonging.
Jennifer lauschte seinen Schritten. Es erinnerte sie an ihren Vater. Sie vermisste ihn schmerzlich… seine Stimme, die Rückkehr von seinen Reisen, das Gefühl, von seinen Armen liebevoll umschlossen zu werden. Es gab so unendlich viele Dinge, die sie vermisste. Der Verlust schmerzte sie bis zum heutigen Tag, und das würde immer so bleiben.
Sie musste lernen, mit den Dämonen in ihrer Seele in Frieden zu leben. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass es fast unmöglich war, doch sie musste es versuchen.
Als sie ein paar Minuten später Geräusche hörte, drehte sie sich um. Mark schob Bobby im Rollstuhl an den Steg, nickte stumm und ließ die Geschwister allein.
Jennifer kniete sich vor den Rollstuhl und schaute ihrem Bruder in die Augen. Bobby sah verwirrt und verloren aus. Eine Brise zerzauste sein Haar. Jennifer strich es glatt.
»Eines Tages, Bobby, müssen wir über alles sprechen, was passiert ist. Dabei geht es nicht nur um den heutigen Tag, sondern um alles, was geschehen ist. Wir müssen über all die Dinge reden, über die wir nie geredet haben. Das weißt du, nicht wahr? Nur so können wir die Vergangenheit ruhen lassen und ein neues Leben beginnen.«
Bobby nickte. Er verstand sie auch ohne Worte.
Jennifer nahm ihren Bruder in die Arme, und er ließ es geschehen. Er brach in Tränen aus, als die aufgestauten Gefühle sich lösten. Jennifer drückte ihn an sich, rieb ihre Wange an der seinen. Sie hielten sich eng umschlungen und wiegten sich in der kühlen Brise, als hätten sie nur sich auf der Welt, und ihre Umarmung war wie ein Versprechen, immer für den anderen da zu sein.
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