Promenadendeck
alte Lied.« Teyendorf lachte kurz auf. »Wer das Finanzamt anpinkelt, ist ein Volksheld. Ich kann's ja verstehen. Glauben Sie, daß Ihr Carducci auch die Schmuckboutique an Bord im Visier hat? Trotz der Wachrundgänge und der Alarmanlage?«
»Kaum. Das Risiko wäre ihm zu groß. Aber er wird jeden beobachten, der bei Ried etwas kauft. Schleppt de Jongh für seine Frau den Hunderttausend-Mark-Ring ab, ist er stark gefährdet.« Dabrowski schüttelte den Kopf, als Teyendorf etwas einwerfen wollte. »Nein, Herr Kapitän. Man sollte de Jongh nicht warnen. Ich weiß, es ist Ihnen eine Qual, Passagiere als Lockvögel zu mißbrauchen. Aber hier liegt unsere einzige Chance. Ohne Lockvögel kommen wir nie an Carducci heran. Nie! Wir müssen alle mitspielen.«
»An mir soll's nicht liegen.« Teyendorf kratzte sich den Haaransatz und sah Dabrowski mit großer Nachdenklichkeit an. »Es wird allerdings einen Riesenrummel geben, wenn Carducci hier wirklich abräumt und dennoch entkommt. Wie wollen Sie das verantworten? Eine Warnung an die Passagiere würde vieles verhindern.«
»Vielleicht.« Dabrowski hob die Schultern. »Aber wenn es Sie und Ihr Gewissen beruhigt, habe ich nichts dagegen, wenn Sie auf der Rückseite des Tagesprogrammes einen deutlichen Hinweis drucken lassen: ›Wir bitten Sie, nach jeder Veranstaltung Ihren Schmuck in Ihr Schließfach beim Zahlmeisterbüro zurückzulegen. Das Büro ist Tag und Nacht durchgehend besetzt. Sie wissen: Nur bei Verlust aus dem Tresor leistet die Reederei Ersatz!‹ – Das genügt.«
»Und so wird's auch gemacht.« Teyendorf atmete auf. »Herr Dabrowski, ich danke Ihnen. Das beruhigt Ihr und mein Gemüt. Wer dennoch seinen Schmuck in der Kabine aufbewahrt, ist nun selbst schuld, wenn etwas passiert.«
Drei Tage Wasser, drei Tage heiße Sonne, drei Tage Gemeinsamkeit auf Deck und drei Nächte lang versteckte Sehnsüchte und erfüllte Leidenschaften.
Kammersänger Franco Rieti und Kammersängerin Margarete Reilingen gaben ein Konzert mit Opernarien, blendend auf sich eingesungen und von Beifall umrauscht, auch wenn Rieti zweimal das hohe C patzte – das heißt, er sang es erst gar nicht, sondern ging da, wo er hoch mußte, in die Tiefe. Das hört sich gut an, nur: Wer die Opern kannte, vermißte den strahlenden Abschluß der Arie und war etwas irritiert. Einig war man sich nur, unter vorgehaltener Hand natürlich, daß Rietis Stimme im Fernsehen oder auf der Platte besser klang als hier live. Auf dem Schiff gab es eben keine raffinierte Technik, mit der man am Mischpult aus einem Stimmchen einen Heldentenor machen konnte, obwohl Rieti das nicht nötig gehabt hätte. Immerhin: Ein wenig hochdrehen hätte man die Stimme schon können. Dagegen jubelte die Reilingen mit einem Wohllaut und einem Atem, der einem selbst den Atem nahm. Sylvia de Jongh jedenfalls empfand es so; sie saß in einem tiefen Sessel und zerknüllte ihr Taschentuch vor Ergriffenheit. Knut de Jongh hing mit vorgestreckten Beinen in den Polstern, gähnte ab und zu wie ein Nilpferd und war froh, als das große Schlußduett aus Aida das Programm endlich beschloß. Die zwei Zugaben hielt er für völlig überflüssig.
»Ich weiß nicht, was die Leute daran schön finden«, sagte er, als er aufstehen durfte, ohne als Kulturbanause zu gelten. Die begeisterten Zuhörer klatschten noch immer. Er sah seine Frau Sylvia an und bemerkte, daß ihre Augen gerötet waren. Sie hatte sogar noch Tränen in den Augenwinkeln. »Und heulen tun sie auch noch! Nur, weil da zwei Mäuler aufgerissen werden und man sieht, wie gut der Zahnarzt war.«
»Du bist und bleibst ein Barbar!« sagte Sylvia hart.
»Aber ich habe das Geld, mir für einen Abend eine ganze Oper zu kaufen und diese Typen allein für mich singen zu lassen, wenn ich will.«
»Und das macht dich stolz, was?«
»Es beruhigt mich. Ich habe mit dem Schmiedehammer in der Hand etwas geleistet.«
»Dann müßte Siegfried deine Lieblingsoper sein. Das Schmelz- und Schmiedelied …«
»Da haben wir schon den Blödsinn! Wenn du am Amboß stehst und hast so einen glühenden Eisenbrocken vor dir, dann singste nicht, sondern beißt die Zähne zusammen und denkst dir: Nur mal druff! Und dann legst du deine ganze Kraft nicht in die Kehle, sondern in die Armmuskeln und haust zu. Das ist Leben! Und wenn du richtig loshämmerst, so mit aller Kraft von oben bis unten, mit Druck der Bauchmuskeln, dann biste glücklich, wenn du richtig furzen kannst. Hast du Siegfried auf der Bühne
Weitere Kostenlose Bücher