Promenadendeck
schon mal furzen hören? Und das will ein Schmied sein? Alles Tinnef!«
Nach dem Konzert strebte Knut de Jongh in die Atlantis-Bar, erkletterte einen der Barhocker und brüllte dabei über die Theke: »Keeper! Ein kaltes Pils! Und für meine Frau 'ne halbe Champagner. Wie hat der Kammersänger als Zugabe geknödelt? Freunde, das Leben ist lebenswert. Das war der einzige vernünftige Satz vom Ganzen.«
»Man muß sich ja schämen!« sagte Sylvia leise. Sie kletterte neben Knut auf einen Hocker und sah hinüber zur gegenüberliegenden Seite der Rundtheke. Dort saß schon Herbert Fehringer – es war sein Abend – und wartete auf sie. Er machte ein verstecktes Zeichen, aber sie schüttelte den Kopf. »Benimm dich doch!«
»Ich habe bezahlt und ich werde bezahlen«, sagte de Jongh laut, »alles andere ist denen doch Wurscht.« Er blickte sich um, erkannte Fehringer und verzog den Mund. »Der Kerl mit den Seeblau-Augen ist ja auch da.«
»Warum nicht. Er ist Passagier wie du.«
»Er stellt dir nach, was?«
»Du spinnst wieder mal, Knut.«
»Wo immer wir auch sind, der Bursche ist in der Nähe. Im Speisesaal, an Deck, im Saal, in den Bars – immer ist er da und glotzt und glotzt. Was ihm fehlt, ist sicherlich eins aufs Auge! Das kann er haben …«
»Ich gehe sofort in die Kabine, wenn du nicht aufhörst«, zischte sie ihm zu. »Alle gucken schon zu uns hin.«
»Das ist mir so scheißegal. Ich habe so richtig Lust, Krach zu machen.« Er hob beide Hände und fuchtelte damit durch die Luft. Es sah aus, als wolle er seine Frau ohrfeigen; ein paar weiter entfernt sitzende Herren rückten schon an ihren Stühlen. Auch als Generaldirektor fühlt man sich noch als Beschützer der Damen. »Aber nein! Nein! Keine Angst, mein Liebes, ich bin ganz friedlich. Ich muß erst das Gejodel von vorhin herunterspülen … Und alles auf italienisch! Was soll das? Das hier ist ein deutsches Schiff.«
»Aber die Opern waren von Verdi, Puccini, Leoncavallo, Mascagni und Boito.«
»Gibt's keine deutschen Opern? Gern hab' ich die Frau'n geküßt …«
»Das ist eine Operette von Lehár und heißt Paganini.« Sie lächelte geringschätzig. »Lehár war ein Ungar und Paganini einer der größten Geiger … ein Italiener.«
»Ich sag's ja: Nur alles Scheiße auf der Bühne.« Er bekam sein Pils, trank das Glas fast mit einem Schluck leer und unterdrückte einen gewaltigen Rülpser. »Das ist unser Übel: Wir leiden an Überfremdung. Jawohl!« Er wandte sich an einen Herrn links neben sich und tippte ihm auf die Schulter. »Herr Nachbar, sind Sie Fabrikant?«
»Ja …« antwortete der Passagier steif und ablehnend.
»Und wie hoch ist der Anteil an Fremdarbeitern bei Ihnen?«
»Etwa dreißig Prozent.«
»Ist das normal, he?«
»Es sind alles sehr fleißige Männer und Frauen«, sagte der Herr reserviert. »Ich möchte sie nicht missen. Wenn es in Ihrem Betrieb anders ist, kann es auch an der Führung liegen.«
»Da bellt doch der Hund seinen Schwanz an!« Knut de Jongh beugte sich vor. »Hören Sie mal, mein Lieber: Die Führung bin ich. Ich allein. Wollen Sie damit sagen, daß ich meinen Betrieb falsch führe?«
»Ich gehe jetzt!« sagte Sylvia spitz. »Mich brauchst du ja jetzt nicht mehr.«
Sie glitt vom Barschemel, warf Herbert Fehringer einen Blick zu und ging hinaus aufs Deck.
In der sich ausweitenden hitzigen Diskussion über Fremdarbeiter, in die nun auch andere Passagiere eingriffen, vor allem ein Türke mit Namen Afim Uxüküll, der in München bei einem großen Autowerk Werkzeugmeister geworden war, für diese Reise bis Valparaiso eisern gespart hatte und nun von Knut de Jongh hören mußte, daß drei Türken nicht einen Deutschen ersetzen könnten – in diesem erregten Wortwechsel übersah de Jongh völlig, daß sich nach einiger Zeit auch Fehringer von der Bar entfernte und hinaus aufs Sonnendeck ging. De Jongh war in voller Fahrt, und er fühlte sich wohl dabei. So ein richtiger Männerkrach belebte ihn.
An der Reling, neben der Treppe, die zum oberen Liegedeck führte, wartete Sylvia. Wie überall in südlichen Breiten war auch hier die Nacht wesentlich kühler als der Tag; Sylvia hatte deshalb eine breite Stola aus Seide, bestickt mit Paradiesvogelfedern, um die Schulter gelegt; ein ungeheuer wertvolles Stück, das Knut ihr einmal in Paris gekauft hatte, weil sie vor dem Fenster gestanden war und verzückt ›Welch ein Traum‹ gesagt hatte.
Fehringer lehnte sich neben sie an die Reling und blickte hinunter in
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