Promenadendeck
auf und gehen wir aufs Promenadendeck. Ich möchte dich küssen; hier kann ich es nicht. Du bist in Uniform, ich weiß, das habe ich mal gelesen: Ein Offizier in Uniform darf nie öffentlich küssen, er hat immer Würde zu wahren. Auf dem Promenadendeck sind wir jetzt allein oder unter anderen Liebenden.« Sie sah ihn mit großen Kulleraugen an. »Du liebst, mich doch …«
»Muß man dir das immer wieder sagen?« wich er aus.
»Ständig, jede Stunde, bei jedem zweiten Satz: ›Ist der Sternenhimmel nicht zauberhaft? Ich liebe dich! – Sieh mal, wie der Mondschein auf den Wellen tanzt! Ich liebe dich!‹ – Es ist so schön, das zu hören.«
Meine Lage ist ausgesprochen mies, dachte Dr. Paterna, während die Stewardeß jetzt seinen Wein servierte. Vor mir Barbara, ein wunderschönes Mädchen, und hinter mir Beate, nicht minder begehrenswert … und beide liebe ich! Verrückt ist das, wie kann man damit fertig werden? Keine Frau hat dafür Verständnis, wenn man ihr erklären will, der Mann sei von Natur aus polygam veranlagt.
»Heute war ein heißer Tag im Hospital«, sagte er. »Wir gehen gleich an Deck, ich möchte mich nur noch ein wenig beim Wein erholen.«
Der Pianist an seinem weißen Flügel spielte jetzt Ob blond, ob braun, ich küsse alle Frau'n … und kam sich sehr witzig vor. In der Olympia-Bar wurde es plötzlich lebendiger: Die Hamburger Ärzte kamen als fröhlicher Trupp heran und besetzten die Barhocker. Einige ältere Passagiere zahlten und erhoben sich jetzt, die Ruhe war hin.
»Wir verduften auch«, sagte Paterna und unterschrieb seine Rechnung. Er reichte Barbara die Hand, zog sie aus dem tiefen Sessel und konnte nicht verhindern, daß sie sich sofort bei ihm unterhakte. Zur Seite hin, wo Beate saß, wagte er keinen Blick. Welcher Mann hätte sich anders benommen?
Sie gingen an der Bar vorbei und wurden sofort von den Ärzten angepöbelt.
»Herr Kollege!« rief der Wortführer der Gruppe, ein bulliger Herr mit tellergroßen Händen, dem man den Gynäkologen nicht ansah. »Ein Schlückchen auf die Zunft! Kommen Sie zu uns. Die schöne Grazie nehmen wir zwischen uns.«
»Morgen, meine Herren.« Dr. Paterna winkte ab. »Ich bin gerade im Aufbruch und muß noch nach einem Patienten sehen.«
»Jetzt? Um diese Zeit?«
»Das kennen Sie nicht? Sie Glücklicher!«
»Die Nachtkranken!« Einer der Ärzte wedelte mit den Händen durch die Luft. »Bei mir nicht mehr, Kollege! Ich habe meine Patienten so erzogen, daß sie bis zum Morgen warten. Das sollten Sie den Herrschaften auch klarmachen: Wir sind hier auf einem Schiff, um die Welt fröhlich zu sehen, nicht in einem Lazarett! Man muß seine Patienten auf Vordermann bringen.«
Dr. Paterna unterließ es, sich auf solch eine oberflächliche Diskussion einzulassen, und verließ mit Barbara schnell die Olympia-Bar. Draußen, im Treppenhaus, gab sie ihm einen Kuß auf die Wange.
»Betrunkene Männer finde ich widerlich«, sagte sie. »Betrunkene Frauen aber sind ein Greuel! Trinkst du eigentlich viel?«
»Wenig.« Dr. Paterna fühlte sich elend. Barbara küßte ihn, und er dachte an Beate. Welch ein Zustand! »Ist es auf dem Promenadendeck jetzt nicht ein bißchen kühl?«
»Wo wollen wir sonst hin, Mario?«
»Ein Vorschlag: Zu dir.«
»In meine Kabine?« Er spürte, wie sie sich an seinem Arm wieder versteifte, genau wie beim ersten Kuß. »Unmöglich …«
»Es sieht uns bestimmt niemand. Aber wenn du Angst hast … gehen wir zu mir …«
»Ins Hospital? Schwester Erna …«
»Es gibt für meine Wohnung noch einen zweiten Eingang, durch das Labor.«
»Nein, Mario.« Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen ihn. »Ich habe dir gesagt, wie das alles mit mir ist. Ich bin kein Mädchen, das sofort mitgeht.«
»So war das nicht gemeint, Barbara!« sagte er betroffen. »Bestimmt nicht.«
»Aber es kommt auf dasselbe hinaus. Man kann sich dagegen gar nicht wehren, und davor habe ich Angst. Noch …« Sie sah ihn etwas unsicher an. »Laß uns doch auf das Promenadendeck gehen, bitte! Mir wird es nicht zu kalt werden.«
In der Olympia-Bar bestellte sich Beate einen starken Cocktail. Sie hatte in der Mixkarte nachgesehen und das gewählt, was am schärfsten klang: Blade Runner, einen Cocktail aus Wodka, weißem Rum, Cointreau, Zitronensaft und Bitter-Orange. Ewald Dabrowski schabte sich das Kinn.
»Selbst ein wirklich Blinder würde es riechen: Das ist nichts für kleine Mädchen.«
»Ich bin kein kleines Mädchen mehr!« Es klang
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