Promenadendeck
ja aus deinem Friseursalon. Haarefärben und Beichte gehören zusammen. Ihr erfahrt von den Frauen mehr als ein Priester.«
»Das stimmt.« Barbara Steinberg holte tief Atem. »Du warst nicht bei der Panama-Stadt-Gruppe, sondern bist allein mit einem Taxi weggefahren.«
»Die Urwaldtrommel klappt!« Paterna spielte den Fröhlichen. »Was hat man noch getrommelt?«
»Du hast den Blinden getroffen und mit seiner Pflegerin geflirtet.«
»Unsinn! Geflirtet! Es ist ihre Aufgabe, den blinden Dabrowski herumzuführen, und wenn ich ihn anspreche, kann ich sie ja nicht wegschicken!«
»Sie ist sehr hübsch, nicht wahr? Beate heißt sie. Krankenschwester und Arzt, das paßt gut zusammen.«
»Nun hör aber auf!« sagte Paterna etwas ärgerlich.
»Auf jeden Fall besser als Arzt und Friseurmeisterin.«
»Soll die Unterhaltung in dieser Art und Weise weitergehen?«
»Du hast gesagt, daß du mich liebst.«
»Das war auch ehrlich.«
»Du hast mich an Deck geküßt …«
»Ich würde es wieder tun.«
»Auch in Gegenwart von Beate?«
»Das ist ja nun wirklich nicht nötig.«
»Hast du Angst, sie könnte geschockt sein? Mir machte das nichts aus.«
»Du lieber Himmel, wir kennen uns drei Tage und reden miteinander wie ein uraltes Ehepaar. Was soll der Unsinn, Barbara?«
»Ich will damit nur sagen, daß ich kein Mädchen bin, mit dem man spielen kann.«
Barbara Steinberg lehnte sich gegen die Wand. Sie schwieg, weil zwei Passagiere an ihnen vorbei zu ihren Kabinen gingen, und wartete, bis sich die Türen geschlossen hatten. »Was du nicht weißt: Ich war schon einmal verlobt. Mit einem Feinkosthändler. Seine Spezialität waren kalte Büffets für private Feste. Was ich nicht wußte: Mit den meisten Hausmädchen der feinen Herrschaften hatte er ein Verhältnis. Sie kamen sogar zu mir in den Friseursalon, und ich mußte sie bedienen. Ahnungslos, wie ich war. Bis eine alles ausplauderte, aus Eifersucht. Da habe ich meinen Verlobten hinausgeworfen. Nie mehr einen Mann, hatte ich mir damals geschworen. Du kommst blendend allein durchs Leben. Glaub nie wieder einem Kerl, wenn er dir schöne und gern gehörte Schmeicheleien zuflüstert. Sei mißtrauisch, sie taugen alle nichts.« Sie sah Dr. Paterna nachdenklich an. Er wich ihrem forschenden Blick aus, indem er sich bückte und seine Arzttasche vom Boden nahm. »Mit dieser Einstellung lernte ich dich kennen. Du hast nicht geschmeichelt, du hast nicht geflirtet, du hast mir zugehört und hast mich einfach geküßt. So ganz selbstverständlich. Und ich habe alle meine Vorurteile über Bord geworfen. – War das zu voreilig? Auch wieder ein Irrtum?«
»Müssen wir das auf dem Flur besprechen?« sagte Dr. Paterna sanft. Sanftheit war jetzt das einzige, was einen Ausbruch verhindern konnte.
»Wo sonst? Ich bekomme dich ja seit Panama nicht mehr zu fassen.«
»Wir treffen uns heute abend nach dem Äquatorball in der Olympia-Bar. Einverstanden?«
»Ja.« Sie nickte mehrmals. Plötzlich leuchtete ihr Gesicht wieder auf. »Küß mich!« sagte sie leise. »Küß mich sofort!«
»Hier auf dem Gang? Wenn jemand kommt …«
»Ganz schnell! Es ist im Moment keiner da.«
Er küßte sie auf Augen und Mund und kam sich verdammt elend und verdorben vor, weil er dabei an Beate Schlichter dachte. »Zufrieden?« fragte er.
»Vorerst ja.«
»Große Versöhnung?«
»Folgt noch.« Sie lachte ihn an. Er fand sie wunderbar schön und sich selbst sehr schäbig. Aber welcher Mann bringt noch den Mut auf, in einer solchen Situation zu sagen: Mein Liebes, wir wollen ehrlich sein, es gibt da noch ein anderes Mädchen …
Unten, im Hospital, hatte Dr. Paterna dann Zeit genug, in Ruhe über alles nachzudenken. Er verschanzte sich vor Schwester Erna hinter der Ausrede, er müsse einen Bericht schreiben, und überließ es ihr, die Kranken der Mannschaft zu betreuen: drei Verbände wegen Verletzungen, zweimal Rotlicht, zweimal Inhalieren.
Nach dem Äquatorball also wollte er sich mit Barbara treffen, aber auf dem Ball selbst würde er mit Beate tanzen, das hatte er ihr versprochen. Ein fast unmögliches Unterfangen, das nur in einem Streit nach zwei Seiten enden konnte. Es blieb also gar keine andere Wahl, als dem Ballvergnügen fernzubleiben. Ein Arzt hat da immer eine gute Erklärung zur Hand: Ein Patient braucht seine Hilfe. Nachzuprüfen war das nie; kein Unbefugter darf ja in ein Krankenzimmer blicken. Und akute Fälle treten immer wieder auf, auch auf einem Schiff. Ein Kreislaufkollaps ist
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