Promenadendeck
de Garcia plötzlich. »Wir haben noch einen ganzen Tag vor uns.«
»Und Ihre Geschäfte?« Thea Sassenholtz bemühte sich, nicht an die Stunde des Abschieds zu denken. Ich bin eine gute, treue Frau, hatte sie sich immer vorgesagt, wenn de Garcia sie mit mädchenhafter Unruhe erfüllte. Du hast deinen Mann noch nie betrogen, in siebenunddreißig Jahren Ehe nicht, und du wirst es auch jetzt mit Juan de Garcia nicht tun. Du bist sechzig, Thea, Großmutter und trotz deines noch guten Aussehens eine Frau, bei der mädchenhafte Anwandlungen lächerlich sind. Sieh dir doch Juan an: Ein ausgesprochen schöner Mann, ein Kavalier mit spanischer Grandezza; ein Kerl, der jede Frau haben kann und nicht angewiesen ist auf eine durchreisende Großmutter … Und trotzdem, ganz hinten, im Herzen, tief verborgen, tut es weh, daran zu denken: Morgen ist alles vorbei. Ein Winken von der Reling, ein Lachen, auch wenn es schmerzhaft ist – aber das sieht ja keiner – und alles wird Erinnerung, wird begraben in einem Winkel der Seele, bleibt ein Hauch nur des Lebens. Unvergessenes Guayaquil …
»Ich habe keine Geschäfte in Ecuador.«
»Sie haben nicht …« Sie sah ihn verständnislos an. »Aber warum sind Sie dann hier?«
»Um Sie nicht allein zu lassen in einer fremden und oft feindlichen Welt.« Garcia lächelte breit. Sein ebenmäßiges Gesicht bekam etwas Jungenhaftes. »Mein Ziel war eigentlich Cartagena in Kolumbien. Dort hatte ich eine Besprechung.« Er winkte ab. »Ein Telefonanruf – erledigt. Um drei Tage verschoben. So viel Zeit muß ein Mensch haben, sonst ist das Dasein eine sinnlose Qual. Die Menschen haben viel zu wenig Zeit für sich und ihre Mitmenschen. Nur wenn sie sich bekriegen können, spielt Zeit keine Rolle mehr.«
»Ich fühle mich ausgesprochen elend, Juan«, sagte Thea leise. »Verdammt elend.«
»Ist Ihnen der Cebique de Corvina nicht bekommen?« Er beugte sich besorgt zu ihr vor. »Hier ist der Fisch immer frisch.«
»Sie werfen alle Pläne um, damit Sie mit mir zwei Tage durch ein Land fahren, in das Sie gar nicht wollten. Das macht mich elend.«
»Mich macht es glücklich.«
»Ich stehle Ihnen Ihre Zeit.«
De Garcia schüttelte den Kopf. »So sollten Sie nicht denken, ›Blümchen‹.«
»Das war gut.« Thea Sassenholtz nippte an dem süßen Likör und trank dann einen Schluck Kaffee hinterher. Diese Mischung war herrlich.
»Was war gut?«
»Daß Sie ›Blümchen‹ zu mir gesagt haben. Es holte mich zurück in die Wirklichkeit. Sobald ich wieder an Bord bin, werde ich Peter anrufen.«
»Peter ist Ihr Mann?«
»Ja.«
»Er muß ein glücklicher Mensch sein. Ich wäre es bei so einer Frau …«
»Ich werde ihm sagen: ›Du, ich bin hier in Ecuador. Und über all die Tausende von Kilometern hinweg sollst du wissen: Ich liebe dich!‹« Sie warf einen schnellen Blick auf Juan de Garcia, aber der sah regungslos auf den Fluß hinaus. »Hätten Sie Ihrer Frau das nicht auch gesagt?«
»Jeden Tag! Jede Stunde! Als sie von den Rebellen erschossen wurde, haben mich meine Arbeiter fesseln müssen, weil ich aus dem Haus hinauslaufen und mich ebenfalls erschießen lassen wollte.«
»Ich kann das verstehen«, sagte sie leise. »Ich weiß nicht, ob Peter auch so handeln würde, aber ich weiß, daß sein Leben zerstört wäre, wenn er mich verlöre … durch so ein Ereignis … oder durch etwas anderes … Wie viele Menschen verlieren sich ohne Tod!«
Es war, als sei damit das Thema zwischen ihnen erledigt. In der kurzen Abenddämmerung fuhren sie noch mit einem kleinen Motorboot auf dem Fluß, kehrten in der Dunkelheit nach Guayaquil zurück und aßen in einem Luxushotel in der Stadt. Hier hatte Garcia auch die Zimmer bestellt. Als Thea und er sie besichtigt hatten, entschuldigte er sich sofort, obwohl sie nichts gesagt hatte.
»Ich hatte keine Ahnung, daß sie nebeneinander liegen mit einer offenen Verbindungstür dazwischen. Ich werde das sofort ändern lassen.« Er lächelte verlegen. »Man scheint hier weiterzudenken, wenn ein Mann und eine Frau zwei Zimmer bestellen, aber zusammen anreisen.«
»Oft treffen sie damit den Nagel genau auf den Kopf.« Sie lächelte auch. »Machen Sie keinen Trubel, Juan. Das Abschließen der Zwischentür genügt völlig, mit dem Schlüssel auf meiner Seite.«
»Sie denken doch nicht, daß ich …«
»Aber nein! Sie sind ein Caballero.« Sie lachte jetzt, sah zu, wie der kleine Indio-Boy Garcías Koffer sichtlich verblüfft in das andere Zimmer trug, und hakte
Weitere Kostenlose Bücher