Promenadendeck
nicht an. Man weiß nie, auch in Luxushotels nicht, ob es frei ist von Bakterien. Auch wenn man es wäscht. Ich traue dem Wasser nicht. Ich putze mir sogar die Zähne mit Mineralwasser aus der Flasche. Was für ein Champagner ist es?«
»Louis Roederer …«
»Spendabel! Prost, Blümchen!«
Sie hatte die Hand an dem Schlüssel liegen und zögerte. Aber dann zog sie ihre Hand mit einem Ruck zurück, als sei der Schlüssel glühendheiß geworden.
»Danke!« Ihre Stimme hatte sich verändert, sie war etwas rauh und dunkler geworden. Das wäre dein erster Betrug, dachte sie erschrocken. Zwei Nächte … zu wenig, um siebenunddreißig Jahre zu überspringen. Siebenunddreißig Jahre mit Peter Sassenholtz, dem fröhlichen Dicken. Man kann ihn nicht gegen zwei Nächte eintauschen.
»Ich werde auf Ihr Wohl trinken, Juan, und auf den kommenden Tag. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Blümchen …«
Nenn mich nicht so, wollte sie rufen. Nenn mich mit tausend anderen Namen, nur nicht Blümchen! Das ist eine undurchdringliche Wand zwischen uns, verstehst du das nicht? Wenn du Blümchen sagst, steht Peter neben uns … Laß mich, auch wenn nichts geschieht, zwei Tage lang nicht Blümchen sein! Zwei Tage träumen … ich möchte das noch einmal erleben!
Sie ging zum Tisch zurück, entkorkte die Flasche und goß das Glas voll. Dann hob sie es hoch, der Verbindungstür entgegen, aber sie blieb stumm und trank das Glas in einem Zug leer.
Eine halbe Stunde später schlief sie wie betäubt. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie allein eine ganze Flasche Champagner getrunken.
Am nächsten Morgen um sieben saßen sie im Flugzeug nach Quito.
»Wann kommt Ihr Schiff an?« fragte er.
»Heute abend, glaube ich.«
»Und wann legt es ab?«
»Übermorgen, ganz früh.«
»Das heißt, daß Sie erst morgen im Laufe des Tages wieder an Bord sein müssen. Irgendwann … auch spät am Abend.«
»Um Gottes willen, Juan!« Sie lachte laut. »Stellen Sie sich vor, wir verpassen das Schiff auch hier. Dann müßten Sie mich nach Peru bringen, nach Callao.«
»Wäre das ein Unglück? Wir würden mit Ihrem Kapitän telefonieren und ihm alles erklären.«
»Unmöglich!« Sie blickte aus dem Fenster. Die Düsentriebwerke donnerten, die Gangway wurde weggerollt. »Ich muß doch mit Peter telefonieren.«
Peter … der Schutzschild, die Mauer. Hilf mir, Peter. Sei bei mir!
Garcia nickte. »Ach ja … Peter. Was werden Sie von mir erzählen?«
»Soll ich von Ihnen erzählen?«
»Ist Peter sehr eifersüchtig?«
»Ich weiß es nicht.« Sie sah Juan voll an. Ihre Augen forschten in seinem Gesicht. »Er hatte nie eine Gelegenheit dazu. Sein Vertrauen ist grenzenlos.«
»Ich habe es schon gesagt: Ein glücklicher Mann. Ich bin furchtbar eifersüchtig, Blümchen. Ich könnte jeden, der Sie länger als zwei Sekunden anschaut, verprügeln, Sie ahnen gar nicht, wie lang zwei Sekunden für einen Eifersüchtigen sein können. Ich glaube, wenn eine Frau mich betrügt, könnte ich zum Mörder werden. Sieht man mir das an?«
»Ja.« Sie nickte. Das Flugzeug rollte jetzt an, wurde schneller und schneller und hob sich dann in den blauen Himmel. Thea Sassenholtz atmete auf. Sie hatte vor jedem Start Angst, auch vor jeder Landung. Es sind die kritischen Minuten des Fliegens. Einmal in der Luft, ist man sicherer als auf der Erde.
»Ja. Man sieht Ihnen an, daß Sie eine Frau bis zum Wahnsinn lieben können.«
Wie schnell vergeht ein Tag!
Er reicht nicht aus für all die Sehenswürdigkeiten von Quito. Ins Hinterland, zu den Kordilleren hin, blieb nur eine Stunde Zeit. In den Dörfern lassen die heute noch reinrassigen Quechua-Indianer ihre Herden, Schafe, Schweine und Lamas, auf den immer feuchten Kraut- und Grasfluren der baumlosen Paramos weiden oder bauen in windgeschützten Hochlandbecken Kartoffeln und Getreide an. Thea und Juan fuhren auch zum Monumento de la Línea, dem 24 km nördlich von Quito genau auf dem Äquator erbauten Obelisk, der oben eine Erdkugel trägt.
Für hier hatte Juan de Garcia eine Überraschung vorbereitet. Aus einer kleinen Kühltasche nahm er eine Flasche chilenischen Sekt, entkorkte sie und vollzog bei Thea die Äquatortaufe, indem er etwas Sekt in seine Handhöhlung schüttete. Sie mußte ihr Gesicht hineinlegen. Dann wischte er ihr das Gesicht mit seinem Taschentuch ab, und sie hielt ihm den Mund entgegen in der fiebernden Hoffnung, er möge sie küssen. Aber de Garcia trocknete nur ihre Wangen und ihre Nase, und dann saßen
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