Promenadendeck
sich dann bei ihm ein. »Ob Sie es glauben oder nicht: Ich habe einen Mordshunger. Auf ein riesiges Steak. Wissen Sie, was Peter einmal in fröhlicher Alkoholstimmung sagte: ›Immer essen ohne Fleisch, das ist fast schon pervers!‹ Und das war bei einer Einladung zu einer Vegetariertagung. Ich bin fast in den Boden versunken vor Scham – aber was taten die das Fleisch verdammenden Damen und Herren? Sie lachten! Dann fuhren sie als bewußte Vegetarier Getreide ein. Wissen Sie, was das ist?«
»Nein.«
»Ein Korn – ein Pils. Ein Korn – ein Pils. Am Ende der Tagung lallte Peter dann: ›Man verkenne die Vegetarier nicht.‹ Gibt es hier im Hotelrestaurant ein Riesensteak, oder sind die zu vornehm dazu?«
»Ich werde einen halben gebratenen Ochsen bestellen.«
»Das sähe Ihnen ähnlich.« Vergnügt fuhren sie hinunter zum Restaurant, wo schon ein Tisch bestellt war, diskret, in einer Ecke, verdeckt durch einen riesigen Bougainvillea-Strauch in einem Topf aus weißem Marmor. Thea Sassenholtz blieb stehen. »Auch das bestellt?«
»Aufmerksamer Kundendienst.« Garcia führte sie um den blühenden Busch herum. »Unbewußt hat der clevere Hotelmanager das richtige getan: Ein Blütenmeer für ›Blümchen‹.«
»Morgen früh also Quito!« sagte er später, als sie sich vor Theas Zimmertür verabschiedeten. »Denken Sie daran: Schon um sieben Uhr startet die Maschine.«
Er küßte ihr die Hand, wartete, bis sie die Tür geschlossen und den Schlüssel herumgedreht hatte, und ging dann auch in sein Zimmer. Dort setzte er sich in einen Sessel und steckte sich eine Zigarette an.
Thea Sassenholtz betrachtete unterdessen das Arrangement, das man auf einem runden Tisch aufgebaut hatte: einen Strauß blaßrosa Rosen, einen großen Spankorb mit tropischen Früchten und eine Flasche Champagner in einem Eiskübel – mit zwei Gläsern.
Kundendienst.
Sie blickte auf die Verbindungstür und setzte sich neben dem Tischchen in einen Sessel. Ich brauche jetzt nur diesen einen Schlüssel herumzudrehen, dachte sie. So einfach ist das. Und doch so schwer. Ich sollte eigentlich nicht solche Gedanken haben, aber ich bin noch keine alte Frau. Ich sehe viel jünger aus, als ich bin. Ich habe mich, wie man so sagt, gut gehalten und bin noch nicht jenseits von Sehnsüchten und Wünschen. Was sagte Monika, meine ältere Tochter, einmal zu mir bei einem Gartenfest: »Mutti, du hast ja ein Kleid wie ein Teenager an. Das geht doch nicht. Denk doch daran, wie alt du bist …« Und ich habe geantwortet: »Deinem Vater gefällt es, er hat es mir ausgesucht; anderen gefällt es auch, und am meisten gefällt es mir. Außerdem weiß ich, wie alt ich bin, und fühle mich um dreißig Jahre jünger! Damit bist du älter als ich …« Hat Monika ein dummes Gesicht gemacht! Und sie hat nie wieder über meine Kleider gemeckert. Jung sein, noch einmal jung sein … nicht so schnatterhaft jung, o nein, aber noch einmal vierzig sein, das wäre schön.
Sie blickte wieder auf die Champagnerflasche, die Blumen, die Früchte und dann auf die Verbindungstür. Der Schlüssel blinkte im Licht.
Vierzig sein … ist es nicht schrecklich? Für eine Sechzigjährige ist vierzig jung, und wie schnell sind diese zwanzig Jahre vorbeigeflogen! Oder dreißig sein, die Hälfte von heute – mein Gott, wie kurz sind dreißig Jahre! Sicher unendlich, wenn man sie vor sich hat. Wie weggeweht, wenn man sie erlebt hat. Aber jetzt weiß man: Jede Stunde ist wichtig, ist wertvoll, unwiederbringbar, oft sinnlos weggeworfen, kaum geachtet, und man fängt an, mit den Stunden zu geizen – viel zu spät. Und noch eines weiß man: Nichts kannst du nachholen. Es ist sinnlos, vergessene Jahre zusammenzuraffen.
Thea Sassenholtz stand auf, ging langsam zur Verbindungstür, legte das Ohr an das Holz und lauschte. Im Nebenzimmer war alles still. Kein Scharren, kein Rascheln, kein Räuspern. Hatte Juan de Garcia sein Zimmer schon wieder verlassen und hockte jetzt unten an der Bar?
Zaghaft klopfte sie an der Tür und hielt den Atem an. Er war noch da, sie hörte einen Sessel rücken.
»Ja?« fragte er. Er mußte ganz dicht an der Tür stehen. »Blümchen?«
»Nur eine Frage: Haben Sie auch Champagner auf dem Zimmer?«
»Nein. Nur einen Obstkorb.«
»Ich habe Obst hier, einen Rosenstrauß und einen Eiskühler mit Champagner. Zwei Gläser …«
»Ich werde mir den Hotelmanager vornehmen.«
»Was mache ich aber mit der Flasche Champagner?«
»Trinken! Aber rühren Sie das Obst
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