Promenadendeck
sich die Möglichkeit, überzeugend von dem anderen großen, alles beherrschenden Gott zu reden.
»Sie müssen mit Herrn de Jongh sprechen, Pater«, sagte Dr. Paterna.
»Mit diesem Bullerkopf? Warum denn?«
»Er will morgen die Chimborazo-Tour mitmachen.«
»Fabelhaft. In luftiger Höhe wird er auch weich werden.«
»Zu weich vielleicht, Pater. Ich will Ihnen das erklären …«
Dr. Paterna hat nie genau erfahren, welche Gespräche die Geistlichen mit Fehringer und de Jongh geführt haben. Ihre Schweigepflicht verbot es ihnen, Einzelheiten darüber zu berichten. Nur die Auswirkungen sah man: Fehringer ging beim Abendessen grußlos an de Jonghs Tisch vorbei, und Knut de Jongh starrte vor sich hin, als sei er völlig geistesabwesend.
»Was hast du denn?« fragte ihn Sylvia. Sie waren nach einer Stadtbesichtigung von Guayaquil zurückgekommen, und schon da war Knut merkwürdig gewesen. Er hatte stumm auf dem herrlichen Marmorfriedhof gestanden, die langen Begräbniswände mit den eingeschobenen und mit Marmorplatten versiegelten Särgen betrachtet und auf Sylvias berechtigte Fragen, was ihn denn so ergreife, geschwiegen. Dafür dachte er jetzt um so mehr.
Angenommen, dachte er zum Beispiel, es wird alles so, wie Pater Brause andeutete; ich spiele den Höhenverrückten und werfe dieses blonde Ekel Fehringer in die Tiefe – dann wäre es eine große Geste, nach der Rückkehr auf Normalnull zerknirschte Reue zu zeigen und Fehringer hier auf dem Marmorfriedhof ein Grab zu kaufen. Nicht so eine Schublade wie in den Mauern, sondern ein schönes Grab mit einem weißen Marmormonument darauf. Koste es, was es wolle – es wäre ein Beweis meines Entsetzens vor mir selbst. So etwas kommt immer gut an.
Noch viel mehr beschäftigte ihn die menschliche Ahnung des Paters. Wie kommt er bloß auf solche Gedanken? dachte er immer wieder. Habe ich mich so auffällig benommen, daß jeder meinen Haß auf Fehringer erkennt? Oder ist es nur der berühmte Priesterblick, der tief in die Seele tauchen kann? Wie dem auch sei … die dramatische Überraschung am Chimborazo war verdorben.
Irgendwann an diesem Abend traf Dr. Paterna auf die Geistlichen. Sie waren beide guter Dinge.
»Fehringer sagt ab«, berichtete Pastor Wangenheim. »Er ist blaß geworden, als ich ihm die Möglichkeit eines Kampfes auf Leben und Tod andeutete. Auf eine solche Kraftprobe läßt er es nicht ankommen.«
Wenig später sagte Pater Brause zufrieden: »Jongh verzichtet auf den Ausflug. ›Wenn dieser Affe dabei ist, habe ich sowieso keine Lust‹, hat er gebrummt. Doktor, das hätten wir in die Reihe bekommen!«
Beruhigt fuhr Dr. Paterna ins Hospital, packte für den morgigen Tag seine Arzttasche und stellte einen Spezialkoffer mit drei Sauerstoffflaschen und Atemmasken bereit.
Um sechs Uhr klingelte der Wecker, um halb sieben betrat Dr. Paterna die Gangway zum Kai. Unten stand bereits der bestellte Bus zum Flughafen von Guayaquil. Die mitfahrende Stewardeß Barbara hatte gerade begonnen, die Teilnehmerkarten einzusammeln. Die Gruppe für den Chimborazo wartete schon vollzählig vor dem Bus auf das Einsteigen.
Dr. Paterna verhielt auf der Gangway und schloß für einen Moment die Augen. Jetzt helfe uns Gott, dachte er, auch der, an den ich glaube. Und sollte es tatsächlich Inkagötter geben – auch sie rufe ich jetzt!
Voneinander getrennt, jeweils am äußeren Flügel der Wartenden, standen das Ehepaar de Jongh und Hans Fehringer.
Es war nichts mehr zu tun, als abzuwarten und zu beten.
11.
Der erste Tag in Guayaquil verlief für Thea Sassenholtz viel zu schnell.
Nach den üblichen Besichtigungen von Kathedrale, Marmorfriedhof und der Kirche St. Domingo, dem Regierungsviertel und dem Monument ›La Rotunda‹ saß sie mit Juan de Garcia im Garten eines Cafés am Ufer des Rio Guaya. Sie blickten über den breiten Fluß mit seinen aus dem Oberland herantreibenden, losgerissenen kleinen Mangroveninseln. Grüne Flecken in einem graugelben Wasser. Sie tranken Kaffee und dazu einen starken süßen Likör, den auch de Garcia nicht kannte. Das Mittagessen in einem kleinen Restaurant, ebenfalls am Fluß, war typisch: Llapingachos – das ist überbackener Kartoffelbrei mit Käse – und Cebique de Corvina – ein marinierter Fisch in Zitronensaft. Alles sehr stark gewürzt und einfach. Dazu hatten sie chilenischen Wein getrunken, einen würzigen Weißen, der an den aus der Chardonnay-Traube in Frankreich erinnerte.
»Morgen fliegen wir nach Quito«, sagte
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