Promenadendeck
wird geschehen, wenn zwangsläufig einmal das Zwillingsspiel auffällt, spätestens dann, wenn Sylvia bei Hans Fehringer bleiben will?
War es denkbar, daß so eng verbundene Zwillingsbrüder wie sie aufeinanderstürzen und sich gegenseitig umbringen könnten? Ein schauriger Gedanke und eine ausweglose Situation. Keiner von ihnen würde auf Sylvia freiwillig verzichten.
Nach drei Tagen, nach der Besichtigung des sauberen Arica auf der Fahrt nach Valparaiso, hatte de Jongh die kritische Phase überwunden. Es blieb nur noch ein leichtes Fieber, und zwei der Einstiche im Rücken eiterten.
»Wenn man schon das Vergnügen hat, niedergestochen zu werden, kann man nicht auch noch erwarten, daß diese Leute vorher die Messer putzen und sterilisieren«, sagte Dr. Paterna sarkastisch zu de Jongh, der auf dem Bauch lag und bei der Behandlung der entzündeten Wunden mit den Zähnen knirschte. »Außerdem wollen die Hersteller der Antibiotika auch leben. Es scheint Ihnen übrigens gutzugehen. Sie haben vorhin Schwester Erna angemeckert, weil sie Ihnen kein Bier bringen will. Das bekommen Sie auch nicht, solange ich Sie behandle, ist das klar?«
»Völlig!« De Jongh legte den Kopf zur Seite und sah Dr. Paterna knurrend an. »Wie lange muß ich denn noch in diesem Patientengefängnis liegen?«
»So lange, bis ich zu Ihnen sage: Gehen Sie raus und ärgern Sie wieder die Menschen. Das kann in vierzehn Tagen sein.«
»Wie soll ich das überleben? Ohne Bier, ohne Schnaps, ohne Frau …«
»Ihre Frau sitzt doch jeden Tag einmal bei Ihnen am Bett.«
»Ja, sie sitzt am Bett. Lieber wäre mir, sie läge bei mir im Bett.«
»Den Körper voller Messerstiche und solche Wünsche! Was muß eigentlich noch passieren, um Sie kleinzukriegen?«
»Das überlegt euch mal.« Er grinste und drehte den Kopf wieder weg. »Einen de Jongh von den Beinen zu kriegen, ist eine wirkliche Aufgabe. Ha! Sie Grobian! Was machen Sie da?«
»Ich säubere Ihre Wunden. Liegen Sie still, verdammt noch mal! Wer wie Sie eine knorrige Eiche sein will, den stört es doch nicht, wenn man an seiner Rinde kratzt.«
Wenn Sylvia ihren Mann am Bett besuchte, berichtete sie, was oben an Deck alles geschah. Und wie Arica ausgesehen hatte; die Kirche, die Eiffel gebaut hatte, der geniale Konstrukteur des Eiffelturms in Paris, der weite, weiße Badestrand, und wie das Essen mit dem Ehepaar Dr. Schwarme in einem Fischrestaurant gewesen war an einer Bucht am Meer, wo ihnen Hunderte von Pelikanen zuschauten.
»Du fehlst uns allen sehr«, sagte sie sogar. »Es ist so langweilig ohne dich. Keiner ist da, der so richtig Schwung in die Gesellschaft bringt.«
Dann verabschiedete sie sich jedesmal mit einem Kuß, fuhr mit dem Lift hinauf und rannte zu ihrer Kabine. Dort lag meistens schon Fehringer auf dem Bett, ausgezogen, in einen Bademantel gewickelt, und sie riß ihm den Bademantel auf, warf ihre Kleidung ab und sprang mit einem Juchzer auf ihn.
Nicht einen Tag wollte sie verschenken, nicht eine Stunde … Wann jemals wird so ein Rausch wiederkommen?
»Bruderherz!« sagte Hans am vierten Tag nach de Jonghs Unglück. »Ich muß dich um etwas bitten: Kümmere dich jetzt etwas mehr um Sylvia.«
»Wie meinst du das?« fragte Herbert lauernd.
»Du mußt ihr irgendwie erklären, warum du an deinem Tag und in deiner Nacht nicht zu ihr kommst. Sie glaubt ja, du wärst ich! Verstehst du? Du mußt ihr eine Erklärung geben, warum sie an diesem Abend allein bleibt.«
»Da ist Logik drin.« Herbert Fehringer sah zu, wie sein Bruder sich rasierte. »Sie wird sich natürlich wundern und sich denken, daß deine Potenz sehr wackelig ist.«
»Arschloch!«
»Nun stell dir aber vor, ich verliebe mich auch in eine Frau hier an Bord. Dann sitzt in Sylvias Augen ihr geliebter Hans mit einer anderen da, und sie ist Luft.«
»Unmöglich!« Hans Fehringer fuhr herum. »Herbert, das kannst du nicht tun.«
»Ich soll also dir zuliebe Mönch spielen? Bis Sydney? So weit geht keine Bruderliebe.«
»Es gibt ein Drama, wenn du das tust. Hast … hast du etwa schon eine im Visier?«
»Mehrere.«
»Eine Katastrophe! Herbert, ich flehe dich an: Spiel das Spiel weiter mit! Du weißt nicht, was Sylvia für mich bedeutet. Ich liebe sie wirklich. Sie wird bei mir bleiben.«
»Bei uns! Das ist überhaupt die Kernfrage, Brüderchen: Wie willst du ihr klarmachen, daß es zwei Fehringers gibt, und wie, wer nun der richtige ist?«
»Geschlafen habe doch nur ich mit ihr!«
»Kannst du das beweisen? Sie
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