Promenadendeck
Doktor. Werde ich überleben?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Sehr tröstend. Wo hat's mich erwischt?«
»Sechs Stiche. In Brust und Rücken. Da besteht die Gefahr innerer Blutungen. Mehr als Ihnen Verbände anlegen, kann ich jetzt nicht. Es ist besser, ich lasse Sie ins Krankenhaus bringen.«
»Hier in Cusco? Auf gar keinen Fall!«
»In Lima.«
»Und ihr fahrt alle weiter in die Südsee? Da kennen Sie de Jongh schlecht, Doktor. Ich bleib im Bett, wenn ihr morgen in Machu Picchu seid, und übermorgen fliege ich mit euch zum Schiff zurück. Ich weigere mich entschieden, in ein Krankenhaus zu gehen.«
»Wie Sie wollen.« Dr. Paterna richtete sich auf. »Auf Ihre Verantwortung! Aber so, wie Sie jetzt sind, nimmt Sie kein Flugzeug mit. Sie müssen den Gesunden spielen. Ob Ihnen das gelingt?!«
»Abwarten und sich gesund furzen!« De Jongh grinste wieder. Die Schmerzen wurden nun stärker und hatten eine lähmende Wirkung auf den ganzen Körper. Er stöhnte dumpf auf, als Paterna ihm den ersten Druckverband anlegte. »Sie Knochenbrecher!« stöhnte er. »Verdammt, auch ich bin nicht aus Eisen.«
»Sie bekommen gleich eine Injektion gegen die Schmerzen. Und wenn Sie morgen früh wieder aufwachen – Gnade Ihnen Gott, wenn Sie dann den Helden spielen wollen! Es kann nur schlimmer, nicht besser werden. Sollte es Komplikationen geben, lasse ich Sie sofort ins Hospital bringen!«
Schon wenige Minuten nach der Spritze schlief de Jongh ein. Den letzten Verband bekam er nicht mehr mit. Vier Hausdiener des Hotels trugen ihn auf sein Zimmer. Wie versteinert saß Sylvia im Bett und starrte ihren Mann an.
»Wird … wird er durchkommen?« stotterte sie. Dr. Paterna nickte.
»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Sollte er aber anfangen zu husten und Blut zu spucken, dann rufen Sie mich sofort an. Zimmer 29.«
Sie wartete, bis sich die Zimmertür geschlossen hatte, und beugte sich dann über de Jongh. »Los!« sagte sie leise. »Huste und spuck Blut … spuck dein Leben aus, du Scheusal! Laß mich nicht so lange warten … Warum hustest du denn nicht …?!«
Die Nacht und den nächsten Tag über war Knut de Jongh so schwach, daß er kaum den Kopf heben konnte, um Dr. Paterna oder Sylvia anzusehen. Die gesamte Reisegruppe zog nach der Rückkehr aus Machu Picchu an seinem Bett vorbei, de Jongh fand das rührend, bis Ludwig Moor zu ihm sagte: »Das war ein schöner Tag ohne Sie! Keiner, der immer herummeckerte. Wir waren so eine richtige Gemeinschaft. – Gute Besserung!«
Knut de Jongh gab keine Antwort und schluckte das – ein neuer Beweis, wie elend ihm zumute war.
Die Fahrt zum Flugplatz Cusco war eine elende Schinderei. Moor und ein Passagier aus dem Schwäbischen hatten de Jongh in ihre Mitte genommen und schleppten ihn zum Flugzeug wie einen Betrunkenen. »Jaja«, sagte der Schwabe grinsend zu dem Steward an der Gangway, »des Bürschle müsse mer trage. Die viele Viertele …« Der Steward verstand zwar kein Deutsch, aber Moors Zeichensprache des Trinkens verstand er. Er lachte und half sogar, dem vor Schmerzen fast ohnmächtigen de Jongh einen Platz in der ersten Sitzreihe zu belegen. Sylvia saß neben ihrem Mann mit unbewegtem Gesicht. Eine trauernde Madonna, hätte man bei ihrem Anblick denken können. Wer gewußt hätte, was sie wirklich dachte, würde eher von einem Satansaas gesprochen haben.
Warum lebt er noch, fragte sie sich. Welch eine Bullennatur! Die ganze Nacht habe ich neben ihm im Bett gelegen und darauf gewartet, daß nach einem tiefen Atemzug alles vorbei ist. Aber nein, er lebt weiter! Um ihn loszuwerden, muß man ihn tatsächlich totschlagen.
Dr. Paterna, Ludwig Moor und der Schwabe trugen de Jongh dann in Callao aufs Schiff, zwei Stewards griffen mit zu und brachten ihn hinunter ins Hospital. Der II. Offizier, der Deckdienst hatte, meldete telefonisch den Vorfall sofort an den Kapitän weiter.
»Was?« sagte Teyendorf betroffen. »Messerstiche? Herr de Jongh? Ich komme nachher ins Hospital!« Chief Wurzer, der neben ihm auf der Brücke stand, schabte sich über sein Kinn.
»Das hat sich ja mal wieder gelohnt«, meinte er sarkastisch. »Ein nackter Kammersänger, ein Kampf auf der Straße, ein Niedergestochener … ich möchte fast fragen: War das alles?«
»Abwarten!« Teyendorf blickte auf die Uhr. Noch eine Stunde bis zum Ablegen. Nicht eine Minute später. Die Atlantis war pünktlicher als die Eisenbahn. »Bis jetzt liegen neun Meldungen vor. Sogar unseren Barpianisten haben sie
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