Promenadendeck
und öffnete. Alma Richter saß neben der Tischlampe auf der Polsterbank und las. Sie blickte kurz hoch und las dann weiter:
»Ich wollte Ihnen nur die Todesursache Ihres Mannes mitteilen«, sagte Dr. Paterna hart.
»Herzinfarkt. Das sieht doch jeder Laie. Danke.«
»Bitte. – Was lesen Sie denn da?«
»Kafka …«
Dr. Paterna drehte sich schroff weg und verließ die Kabine ohne weitere Worte.
Pünktlich um sieben Uhr morgens warf die Atlantis vor der Osterinsel Anker. Das Boot der Behörde legte am heruntergelassenen Fallreep an, die Kontrollbeamten kamen an Bord. Drüben war die ganze Insel in heller Aufregung. Alte, klapprige Busse warteten, ebenso alte Limousinen und ein großer Pulk von gesattelten Pferden. In einer Stunde kam Geld in die Kassen! Gute harte Dollar und der weniger beliebte chilenische Peso. Vor allem aber würde man tauschen: Plastiktaschen, Feuerzeuge, Mützen und Hüte, sogar Blusen und Kleider und Hosen, alles, was man anziehen konnte, Zigaretten, Zigarillos, ja sogar Brieftaschen und Portemonnaies – gegen Schnitzereien, nachgemachte kleine steinerne Moais und kunstvolle Miniatur-Auslegerboote. Ein Schiff vor der Osterinsel war immer ein warmer Regen für die 1.600 Einwohner, die das Geheimnis ihrer Insel nun als Touristenattraktion anboten. Wer einmal auf dem alten Seemanns-Friedhof gestanden, hat, hoch über den Klippen in der Nähe der steinernen Riesen, vom Wind und der Unendlichkeit umweht, der wird das nie vergessen.
Vor dem Ausbooten der Passagiere – sie standen schon seit anderthalb Stunden unten in der Halle des Pazifikdecks, um die ersten zu sein – ließ Kapitän Teyendorf noch François de Angeli zu sich kommen. Der elegante Franzose tat sehr erstaunt und spielte den völlig Ratlosen, als Teyendorf ihm frei heraus und ohne Umschweife die Lage erklärte.
»Ich muß mich wehren!« sagte nach Teyendorfs Anklage de Angeli sehr erregt. »Die Damen fallen mich an, nicht ich sie! Was soll ich tun? Man ist doch schließlich ein Kavalier.«
»Man kann es übertreiben.«
»Ich? Die Damen, Herr Kapitän! Die Seeluft wirkt auf sie wie Champagner. Ihr Blut perlt! Wenn die Herren Ehemänner nicht in der Lage sind …«
»… ist es Ihre Menschenpflicht, einzugreifen. Sie tun ein gutes Werk.«
»Man kann es so sehen, Herr Kapitän.«
»Aber ich und die Herren sehen es nicht so.« Teyendorf war weit davon entfernt, diese Unterhaltung als fröhliche Konversation hinzunehmen. »Für uns ist Ihr Benehmen eine massive Belästigung meiner Gäste, die den Frieden an Bord stört. Im Interesse aller Passagiere muß ich Ihnen also sagen, daß ich Sie in Papeete von Bord weisen kann. Sie müßten dann von dort zurück nach Frankreich fliegen.«
»Ich glaube nicht, daß Sie dazu berechtigt sind, Herr Kapitän«, erwiderte de Angeli kühl. »Ich habe meine Passage bezahlt, ich bin ein freier Mensch, ich habe keine ansteckende Krankheit, ich stinke nicht, ich benehme mich korrekt und uriniere nicht auf Deck. Sie können mich nicht von Bord werfen.«
»Ich habe die Erlaubnis meiner Reederei eingeholt. Ich kann!«
»Das wird Ihre Reederei eine Menge Geld und viele Scherereien kosten. Über die Reaktion der französischen Presse sind Sie sich sicher im klaren. Den Tritt der deutschen Kommißstiefel gibt es noch immer.«
Teyendorf verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wurde ganz förmlich. »Ich sehe, daß Bitten bei Ihnen nicht ankommen, Herr de Angeli. Sie sind nicht zur Einsicht bereit. Ihre Drohungen schrecken mich nicht; wer mich kennt, weiß, daß Drohungen mich nur noch aktiver machen. Bis Papeete sind es noch sechs Tage. Erreichen mich weitere Klagen in diesen sechs Tagen, werden Sie vor Tahiti Ihre Koffer packen müssen.«
»Und wenn ich mich weigere, wenn ich mich wehre?« rief de Angeli. Seine Empörung war echt. »Wollen Sie Gewalt anwenden? Wollen Sie mich vom Schiff tragen lassen? Ich werde einen Skandal entfesseln …«
»Ich ersuche die Polizei von Papeete um Amtshilfe.«
»Das sind Franzosen, wie ich es bin, die werden über Sie lachen! Ja, lachen!«
»Wir werden sehen.« Teyendorf betrachtete das Gespräch als beendet. »Wir beginnen mit dem Ausbooten, Herr de Angeli. Viel Vergnügen auf der Osterinsel.«
»Sie werfen mich raus?!«
»Aus meiner Kabine? Ja!«
»Sale Boche!« De Angeli zischte das Schimpfwort durch die Zähne, drehte sich dann mit vollendetem Hochmut um und verließ die Kabine. Teyendorf kniff die Lippen zusammen und warf hinter ihm die Tür
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