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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erschrak unwillkürlich. Irgend etwas an ihrem Gesichtsausdruck gefiel ihm nicht; er hätte nicht sagen können, was ihn störte. Die Haut war jetzt auffallend blaß, wie nicht mehr durchblutet. Anne schien auch nicht mehr zu atmen, oder ihr Atem war so flach, daß man keine Bewegung sah.
    Jim zog die Bettdecke etwas nach unten, berührte mit spitzen Fingern Anne Whites Arm und dann ihr Gesicht. Die Kälte und Starrheit unter seinen Fingern ließen ihn zurückzucken. Entsetzt trat er zwei Schritte zurück, so schnell, als flüchte er vor Anne, und dann kam es über ihn wie eine Lähmung.
    Das kann nicht sein, dachte er und spürte, wie sein Herz zu hämmern begann. Das kann doch unmöglich sein! Sie hat sich an mich geschmiegt, hat mir einen Kuß auf die Brust gegeben und gesagt: »Und jetzt schlafen wir wie die Königskinder. O Liebling, du bist ein Mamúa« und dann war sie auch schnell eingeschlafen. Wieso liegt sie jetzt so da, kalt und steif? Was ist denn passiert? War diese Nacht zu viel für sie? Hat später ihr Herz versagt, einfach stillgestanden? Habe ich sie umgebracht mit meiner Stärke?
    Er deckte sie wieder zu, löschte die Lampe und ging fast schwankend zur Tür, fand in der Aufregung und in der Dunkelheit nicht gleich die Türklinke und schlüpfte dann hinaus. Draußen auf dem Gang mußte er sich erst mal gegen die Wand lehnen, pumpte Luft in sich hinein, fühlte sich kotzelend und rannte dann auf unsicheren Beinen weiter zur Nottreppe, die nur die Mannschaft benutzen durfte. Erst als er unten auf dem B-Deck in seiner Kabine war und sein entsetztes Gesicht im Spiegel sah, wurde ihm klar, daß niemand ihm seine Geschichte abnehmen würde. Für die Umwelt hatte er Anne White getötet.
    Um elf Uhr gab der Kabinensteward Josef Alarm. Er hatte, als Anne White nicht wie immer das Frühstück bestellte, bei 004 angeklopft, war dann eingetreten, wobei er sich wunderte, daß die Tür offen war, und hatte die Millionärswitwe leblos im Bett vorgefunden.
    Hoteldirektor Gerhard Riemke, der als erster verständigt wurde, erschien auf schnellstem Weg in der Suite Goethe. Ein kurzer Blick genügte ihm … er rief sofort das Hospital an und ließ Schiffsarzt Dr. Paterna aus der Sprechstunde holen.
    »Das ist doch nicht möglich!« rief Dr. Paterna, der gerade dabei war, sich landfein zu machen, ins Telefon. Er hatte Zivil angelegt, einen rohseidenen Anzug über einem offenen gelbgestreiften Hemd. Er sah genauso aus, wie man sich einen Mann vorstellt, auf den die Frauen fliegen. »Anne White tot? Herzschlag?«
    »Das sollen Sie ja feststellen, Doktor. Kommen Sie sofort herauf. Ich benachrichtige auch den Kapitän. Jedenfalls liegt sie da, als ob sie schliefe.«
    Paterna, die Arzttasche in der Hand, traf fast gleichzeitig mit Kapitän Teyendorf vor der Suite 004 ein. Der I. Offizier Willi Kempen kam unmittelbar hinterher.
    »Das hat uns noch gefehlt!« sagte Teyendorf. »Erst das Theater mit den Elefanten, und nun liegt die Vorzeigeprominente tot im Bett. Das wird eine Fragerei, wenn der Sarg von Bord getragen wird – von den Schreibereien ganz abgesehen. Wo kann man sie begraben, weiß das einer? Darum soll sich gefälligst das amerikanische Konsulat in Acapulco kümmern. Sie wird wohl bei ihrem Anwalt ein Testament hinterlegt haben …«
    Dr. Paterna betrachtete die Tote auffällig lange, ohne sie zu berühren. Hoteldirektor Riemke sog nervös an seiner Zigarette; hier störte jetzt niemanden mehr das Rauchen.
    »Ist was?« fragte Teyendorf besorgt. »Sie liegt doch da wie eine Schlafende. Das Herz hat ganz einfach ausgesetzt – kein Wunder in diesem Alter und nach solch einem Leben!«
    »Gebe Gott, daß es wahr ist.«
    »Was soll das heißen, Doktor?«
    »Wollen Sie bei der Untersuchung dabeisein, Herr Kapitän?«
    »Dazu bin ich ja gekommen. Der mexikanische Amtsarzt ist wegen des offiziellen Totenscheins schon benachrichtigt.«
    Dr. Paterna schob die Decke weg. Anne White lag nackt im Bett. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und drückten auf den Brustkorb. Alles sah danach aus, als sei sie vom Infarkt im Schlaf überrascht worden und als habe sie in einer unbewußten Reflexbewegung die Fäuste gegen die Brust gepreßt, während der Sekundentod sie traf.
    Dr. Paterna beugte sich tief über sie, zog die Augenlider hoch über die gebrochenen Augen und tastete dann das erstarrte Gesicht ab. Mit einem tiefen Seufzer richtete er sich danach auf.
    »Ich kann es Ihnen nicht ersparen, Herr Kapitän«, sagte er mit

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