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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nannte.
    Herbert Fehringer hielt es bis beinahe fünf Uhr morgens aus, dann fuhr er, ziemlich alkoholisiert und müde, zum Hauptdeck hinauf. Das Schild ›Bitte nicht stören‹ an der Klinke war fort, die Kabine also frei. Er trat ein, wurde von einer Wolke süßlichen Parfüms empfangen und sah seinen Bruder Hans selig schlafend im heruntergeklappten Pullmanbett.
    Herbert Fehringer drehte die Klimaanlage auf volle Lüftung, zog sich aus und gab dem Bett über sich einen Tritt, als er sich niederlegte. Hans wachte auf. »Du Arsch!« sagte er verschlafen. »Was ist?«
    »Kannst du bei dem Gestank schlafen, he?«
    »Ja, laß mich in Ruhe.«
    »War's schön?«
    »Ich schreibe dir morgen ein Protokoll darüber. Himmel, laß mich jetzt schlafen!«
    Aber er schlief nicht so schnell wieder ein. Er mußte an Sylvia de Jongh denken. Nachdem sie ihren Mann abgeschleppt und ihm in der Kabine noch drei Wodka eingeschüttet hatte, war sie gekommen. Hans Fehringer hatte ihr schon beim ersten Kuß die Träger vom weitausgeschnittenen Cocktailkleid abgestreift, unter dem sie nackt war. Sich küssend, in keuchender Umklammerung fielen sie beide auf das Bett, und es begannen ein paar Stunden, wie sie Hans Fehringer noch nie erlebt hatte. Sylvia biß und kratzte ihn in ihrer Ekstase, und er übersäte ihren zuckenden Körper mit Kußflecken, saugte sich an ihr fest. Und ehe sie ihn so gegen vier Uhr früh verließ, kam sie von der Tür fünfmal zurück und küßte seinen nackten Leib. Es war, als müsse sie sich regelrecht losreißen von ihm; es war ein wilder, hemmungsloser, berauschender Abschied. Welch ein Weib!
    Hans Fehringer hob etwas den Kopf. Irgend etwas hatte sich verändert; schließlich registrierte er es: Die Maschinen der Atlantis schwiegen, das weiße Riesenschiff glitt plötzlich nur noch lautlos durch das Meer. Die Leuchtziffern der in die Kommode eingebauten Digitaluhr zeigten halb sechs Uhr morgens an. Acapulco, dachte Fehringer. Wir schwimmen in den Hafen von Acapulco ein. Den ganzen Tag lang werde ich Sylvia nicht sehen, denn ihr Mann hat einen Bootsausflug nach Roqueta gebucht, einer kleinen Insel außerhalb der weiten Bucht. Dort wird sie im Meer schwimmen und im exotischen Restaurant Palao zu Mittag essen. Und Knut de Jongh wird sich wieder vollaufen lassen mit Drinks, mit Tequila. Welch ein Leben! Aber was kann ein Hans Fehringer ihr mehr bieten? Nur Liebe! Nichts als Liebe. Das einzige Kapital, das ich vorweisen kann, ist die elegante Garderobe – meine und meines Bruders Berufskleidung. Wie beschissen ist doch unser Leben!
    Er schlief wieder ein und wachte für ein paar Sekunden auf, als der Anker der Atlantis herunterrasselte. O Sylvia, dachte er, war das eine Nacht! Herbert wird mich für komplett verrückt halten, aber ich liebe dich. Ich lieb dich wirklich, mit allem Drum und Dran … nur, was können wir daraus machen?
    Er schlief erneut ein und diesmal so fest, daß er nicht hörte, wie Herbert gegen zehn Uhr, als der Steward gerade in einer anderen Kabine aufräumte, die Nummer 213 verließ und den Flur entlanglief zum Restaurant, zum Frühstücksbuffet.
    Dieser Tag gehörte ihm, gehörte Herbert Fehringer, und er wollte ihn voll ausnutzen.
    Jim, der Mechaniker, hatte den Wecker auf vier Uhr früh gestellt, um rechtzeitig vor der Ankunft in Acapulco Anne Whites Suite 004 – Goethe – verlassen zu können.
    Er erwachte, als die Uhr zu rappeln begann, gähnte kräftig, dehnte sich, kratzte sich die stark behaarte Brust, stellte den Wecker ab und warf einen Blick zur Seite.
    Anne White schlief noch tief, unbeeindruckt von dem Wecksignal, die Decke fast bis zum Hals hochgezogen. Leise schob sich Jim aus dem Bett, tappte im dämmrigen Licht der angeknipsten Tischlampe zu seiner Kleidung, zog sich schnell an und hatte einen Mordsdurst. Ehe er aus der Kabine schlich, warf er noch einen Blick auf Anne White.
    Wie sie so daliegt, sieht sie wie ein junges Mädchen aus, dachte er. Da ist kein Fältchen im Gesicht, die Wimpern sind lang und gebogen, der Mund ohne die verräterische, seitlich gekräuselte Haut. Natürlich kommt das von den vielen Straffungen; ein guter Schönheitschirurg kann aus einem alten Gesicht das Antlitz einer Schönheitskönigin zaubern. Das ist alles nur eine Geld- und Geduldsfrage. Und wenn man ein paar Stunden zurückdenkt – sie ist wirklich eine tolle Frau.
    Es kam zum Bett zurück, um ihr zum Abschied einen Kuß auf die Augen zu geben. Vorsichtig beugte er sich über sie und

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