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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Kunden eine Zeitung aus der Auslage zu holen, ging alles ganz schnell. Der Zug Richtung Rathaus Spandau rauschte in den Bahnhof, und Jöllenbeck stürzte auf die Gleise.
     

5
     
    In den Räumen der zwölften Mordkommission ging es zu wie im Meditationsraum einer buddhistischen Gemeinschaft. Aktuelles lag nicht an und man beschäftigte sich mit ungelösten Fällen oder tat etwas für seine Fortbildung.
    Gunnar Schneeganß studierte eine etwas vergilbte Nummer der Fachzeitschrift Kriminalistik und hatte gerade mit der Lektüre über Amokläufe an Schulen begonnen, während Eugen Grätz dabei war, in der Fußball-Woche nach einem Bericht über seinen Verein zu suchen, der ganz weit unten in der Bezirksliga angesiedelt war.
    »Wieder nichts drin über uns«, musste er feststellen. »Diese Journalisten-Fuzzis sollte man alle auf den Mond schießen. Wenn man die nicht schmiert, schreiben sie auch nichts über einen, und Positives erst recht nicht. Aber über Hertha! Obwohl das doch die größten Loser aller Zeiten sind, und der Dieter Hoeneß keinen Einbeinigen von einem Zweibeinigen unterscheiden kann. Wenn es ein Straftatbestand wäre, dass man kein Fortune hat, müsste der für 20 Jahre in den Knast.«
    Eugen Grätz, gerade 54 Jahre alt geworden, war zwar Beamter, streikte dennoch – und dies seit über
    20 Jahren. Sein Arbeitskampf galt pauschal ›denen da oben‹, was, von seinen direkten Vorgesetzten bis zu Gott, alle einschloss, die etwas zu sagen hatten. Sie hatten verhindert, dass er auf der Bühne des Lebens mehr abbekommen hatte als die beschissene Statistenrolle eines Kriminalhauptwachtmeisters. Was hatte das Leben ihm bisher gegeben? Nichts außer Frust und Ärger. Ob nun Frau und Kinder oder Freunde und Kollegen, alle waren nur darauf aus, ihn zu ärgern und zu kränken. Dabei war er doch ein humorvoller und stets hilfsbereiter Mensch.
    »Wenn das mit dir so weitergeht, endest du auch noch mal als Amokläufer«, sagte Schneeganß. »Versuch doch mal, alles ein bisschen leichter zu nehmen.«
    »Wie denn? Unsere ganze Gesellschaft ist versaut! Überall nur Korruption und andauernd Streiks.«
    »Ja.« Schneeganß nickte. »Nicht mal in Bagdad ist es schlimmer als bei uns. Komm mal bitte vom Fenster weg, ich hör schon die nächste Rakete.«
    »Haha«, machte Grätz. »Werd du erst mal so alt wie ich, dann hängt dir auch alles zum Halse raus.«
    »Ich lasse lieber alles in den Hals reinhängen«, murmelte Schneeganß. »Am liebsten in Sarahs. Siehe ›Deep Throat‹.«
    Gunnar Schneeganß war gerade einmal 34 Jahre alt und hatte schon eine, wie er fand, sagenhafte Karriere hinter sich. Er kam aus einer total zerrütteten Familie. Sein Vater war Alkoholiker, andauernd arbeitslos und schlug, wenn ihn die große Wut überkam, auf alles ein, was in seiner Nähe war. Die Mutter hatte des Öfteren in ein Frauenhaus flüchten müssen, mal mit ihm, mal ohne ihn, je nachdem ob das Jugendamt ihn gerade in ein Heim gesteckt hatte oder nicht. Zudem hatte es Schneeganß in seinem Schöneberger Kiez als Deutscher ungemein schwer gehabt, zu groß war die Dominanz von Klassenkameraden nichtdeutscher Herkunft gewesen. Doch er hatte es geschafft, sich durchzuboxen und war nach Abschluss der Hauptschule bei der Polizei aufgenommen worden, da sein IQ weit über dem Durchschnitt lag, seine Allgemeinbildung war besser als die mancher Akademiker und sportlich war er zudem. In all seinen Stationen war er glänzend beurteilt worden, hatte sich von Besoldungsgruppe zu Besoldungsgruppe hochgearbeitet und sich durch seine Mitgliedschaft in der Polizeigewerkschaft und der SPD ein ansehnliches Netzwerk aufgebaut, sodass man ihn schließlich, nachdem er in der Abendschule das Abitur gemacht hatte, als Kommissaranwärter zum Studium an die Fachhochschule schickte. Nach drei Jahren hatte er es geschafft, war nun Beamter des gehobenen Dienstes und zur Kripo gekommen. Wie viele Aufsteiger auch, neigte er dazu, sich für den Größten zu halten, für ein einzigartiges Exemplar der Gattung Homo sapiens, und bei jeder Handlung inszenierte er sich: immer schnoddrig, immer witzig, immer Alphatier. Prächtig gestylt war er, gab ständig den Macho, wenn auch selbstironisch, und glaubte, ein legitimer Erbe des großen Ernst Gennat zu sein.
    Er griff gerade nach seinem Handy, um Sarah anzurufen, als der Koordinator aller Mordkommissionen bei ihnen auftauchte, um sie zum U-Bahnhof Bayerischer Platz zu schicken.
    »Da ist ein Mann vor den Zug gefallen,

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