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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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gesprungen oder gestoßen worden. Jedenfalls: Exitus.«
    »Oben oder unten?«, fragte Schneeganß.
    »Wie?«
    »Unten haben wir den Bahnsteig der U7, oben den der U4«, erklärte ihm Schneeganß.
    »Keine Ahnung.«
    »Keiner hat wieder mal von was ’ne Ahnung«, brummte Grätz.
    »Wir sind eben die Generation Doof«, sagte Schneeganß. ›Generation Doof‹ von Stefan Bonner und Anne Weiss, war ein herrliches Sachbuch, und er las es jeden Abend mit großem Vergnügen.
    Nach kurzer Beratung mit dem Koordinator machten sie sich auf den Weg. Schneeganß wäre die etwa zwei Kilometer gern im Walkingtempo gelaufen, aber Grätz bestand darauf, dass sie mit dem Auto fuhren.
    »Meinst du, mein Dienstherr bezahlt mir die
    Hacken, die ich mir dabei ablaufe?«
    Kurz nachdem sie im Wagen gesessen und losgefahren waren, dudelte das Handy und sie erfuhren, dass der Tote auf dem U-Bahnhof Bayerischer Platz ein Politiker sein sollte.
    »Bernhard Jöllenbeck«, sagte Schneeganß, das Gerät wieder zuklappend.
    »Schön, dass die sich selbst aus dem Verkehr ziehen, bevor sie größeren Schaden anrichten können«, erklärte Grätz. »Brauchen wir ihre riesigen Diäten nicht zu bezahlen.«
    »Es steht doch noch gar nicht fest, dass es Selbstmord war«, sagte Schneeganß, während sie in die Martin-Luther-Straße einbogen.
    Als Grätz das Straßenschild las, konnte er den Reflex nicht unterdrücken, weiter zu schimpfen. »Was meinst du, was mich das aufregt, wenn unsere Nachrichtensprecher immer sagen: Martin Luser King, als würde unser Reformator Martin Luser heißen.«
    »Kann er doch gar nicht«, wandte Schneeganß ein.
    »Der King war alles andere als ein Loser. Anders als dieser Jöllenbeck.«
    »Nie gehört den Namen«, brummte Grätz.
    »Jöllenbeck war Mitbegründer der NeoLPD, der Neoliberalen Partei Deutschlands, so einer Mischung von rechtester FDP und sozusagen nazifreier NDP, wenn so was überhaupt möglich ist. Ein deutscher Jörg Haider wollte er werden. Insofern steckt eine gewisse Logik darin, dass er sein Ende auf dem Bahnhof Bayerischer Platz gefunden hat, auch wenn Bayern noch nicht ganz Österreich ist, trotz Sissi.«
    »Das ist mir zu hoch«, sagte Grätz.
    »Wir sind ja gleich unten in der U-Bahn.« Schneeganß liebte es, Grätz auf den Arm zu nehmen. Anders war der Mann nicht zu ertragen.
    Sowie sie am Bayerischen Platz angekommen waren, mussten sie sich die Ohren zuhalten, da der Rettungshubschrauber, der auf der Grünfläche des Bayerischen Platzes gelandet war, gerade in die Höhe stieg.
    »Wozu braucht der denn noch ’n Hubschrauber, wenn der schon tot ist!«, rief Grätz. »Steuerverschwendung!«
    Parkplätze gab es nicht, sodass Schneeganß nicht zögerte, auf den Bürgersteig zu rollen. Sofort war ein Hundebesitzer jüngeren Datums zur Stelle, um für Ordnung zu sorgen.
    »Häih, det is hier ’n Bürgersteig und keene Autobahn!«
    »Ja, aber ich bin der Pfarrer und muss nach unten, um dem traumatisierten U-Bahnfahrer die letzte Ölung zu … zu …« Da er das optimale Verb nicht kannte, stockte er kurz. »… zu verpassen.«
    »Pass ma uff, det ick dir keene verpasse!«
    »Sag bitte noch: du Arsch, dann haben wir die Beamtenbeleidigung beisammen.«
    In diesem Augenblick tat der Dobermann des Jungberliners das, was seine Natur ihm gebot und was er sich jeden Tag mindestens einmal schuldig war: er kackte auf den Bürgersteig.
    Grätz zeigte auf die Kotsäule. »Wegmachen, sonst …«
    »Du hast wohl nicht mehr alle!« Der Hundehalter machte Anstalten, sein Tierchen von der Leine zu lassen.
    Schneeganß knöpfte sein Jackett auf und deutete auf seine Dienstwaffe. »Sie binden Ihren Hund zuerst hier an den Laternenpfahl und heben schön auf, was er hinterlassen hat. Und nicht in Zeitlupe, sondern mit Höchstgeschwindigkeit bitte.«
    Der Hundebesitzer beeilte sich, und Schneeganß fühlte sich in seiner These bestätigt, dass der mündige Bürger nichts als Fiktion war und nur in den Parteiprogrammen der CDU und der FDP wirklich existierte.
    »Schade, dass du diesem Armleuchter nicht aus Versehen und in Notwehr ins Bein geschossen hast«, sagte Grätz. »Erst dem Hund in den Kopf und ihm dann ins Knie.«
    »Besser noch: Ihm in den Kopf und dem Hund ins Knie.«
    Nun konnten sie sich ihrer eigentlichen Tätigkeit widmen. Die Leute der BVG und die Kollegen von der Schutzpolizei waren mit ruhigem Eifer dabei, den Bahnhof zu sperren und die verwirrten Fahrgäste auf den bald eingerichteten Schienenersatzverkehr

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