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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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zu verweisen. Beim Tatbestand ›Person im Gleis‹, funktionierte der Ausnahmezustand immer tadellos.
    »Sie sollten eine Strecke nur für Selbstmörder einrichten«, sagte Grätz. »Damit sparen sie sich das ganze Theater.«
    Schneeganß war begeistert. »Gute Idee. Vielleicht die alte Siemensbahn von Jungfernheide nach Gartenfeld wieder in Betrieb nehmen. Die Bahnhöfe Wernerwerk und Siemensstadt stehen ja noch. Da lässt man alle Stunde einen Kurzzug pendeln, und wer will, der kann dann … Vielleicht sollte man sogar eine richtige Firma gründen, so mit Pfarrer, Beerdigungsunternehmen und Psychologen, die versuchen, die Leute noch vom Sprung auf die Schienen abzuhalten.«
    »Und wer kratzt sie von den Schienen ab?«, fragte Grätz.
    »Da finden sich schon Freiwillige, wozu boomen die Horrorfilme. Ich hoffe nur, hier unten waren die Abkratzer schon am Werke …« Auch nach einem Dutzend Dienstjahren hatte Schneeganß Angst vor dem Anblick grässlich zugerichteter Leichen. Am liebsten war es ihm, wenn man jemanden sanft vergiftet hatte.
    Sie kamen nur langsam voran, denn überall stand einer, vor dem sie sich legitimieren mussten.
    »Hoffentlich kommen wir bald ins Fernsehen, damit uns jeder gleich erkennt«, sagte Schneeganß.
    Endlich hatten sie ihre Techniker erreicht, die auf dem Bahnsteig der U7 alles sicherten, was nach Spur aussah. Ihnen blieb es vorbehalten, die Leute zu befragen. Aber zu sehen war neben einigen BVGBediensteten nur eine ältere Dame.
    »Ist das alles an Fahrgästen?«, fragte Grätz einen Fahrmeister. »Klar, nach der vielen Streikerei in diesem Jahr laufen die Leute lieber.«
    »Die Fahrgäste des betroffenen Zuges sind alle ins Freie geleitet worden, doch die haben ja ohnehin nichts bemerken können.«
    »Und der Fahrer selbst?«, wollte Schneeganß wissen.
    »Der ist mit einem Schock ins Gertrauden-Krankenhaus gekommen.«
    »Und die Leute, die auf dem Bahnsteig hier standen, als …?«
    »Die haben sich in alle Winde zerstreut. Es kommt immer Panik auf, wenn sich jemand …« Auch der Fahrmeister vermied ein präzises Wort, denn alle Verkehrsunternehmen verfolgten die Strategie, das Thema Selbstmord auszublenden. »Nur die Dame da am Kiosk ist geblieben. Die kann ja nicht so einfach alles stehen und liegen lassen, die will ja nicht entlassen werden.«
    Schneeganß und Grätz schlenderten zum Kiosk. Unten auf den Gleisen hörten sie die Arbeiter fluchen. Bei der Notbremsung hatte sich ein Stromabnehmer verklemmt.
    »Zum Glück war es keine Schafherde«, sagte Schneeganß. »Wie neulich beim ICE. Oder eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten. Die müssen ständig im Tunnel sein, sonst hätten sie nicht immer ihren Tunnelblick.«
    Damit waren sie bei der Dame vom Kiosk angelangt und stellten sich vor. »Sie müssten doch etwas gesehen haben, Frau …?«
    »Velkoborski, Hannelore Velkoborski.«
    »Angenehm.« Schneeganß verwendete manchmal die Wendungen seiner Großeltern.
    »Det is ja allet so schrecklich!« Hannelore Velkoborski wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Und hier uff meim Bahnhof. Da braucht man ja keen Fernsehen mehr. Der Jöllenbeck, Mann!«
    »Kannten Sie den Mann?«, fragte Schneeganß.
    »Ja, klar, der hat manchmal ’ne Zeitung bei mir jekooft. Und nu issa nur noch Hackepeter.« Wieder begann sie zu weinen.
    Grätz hasste Showeinlagen wie diese. »Was haben Sie denn nun gesehen?«
    Hannelore Velkoborski hatte Mühe, das Bild abzurufen. Wie Jöllenbeck von dem Jungen mit den schlabbernden Hosen angegriffen worden war. »Da is ’n Junge uff ihn zu, und dann gab’s ne Rangelei. Mehr hab ick nich jesehn, weil jrade ’n Kunde jekommen is. Nur noch den Schrei hab ick jehört.«
    Schneeganß bedankte sich, Grätz schrieb sich Namen und Adresse auf. Dann traten sie zu einer kurzen Beratung beiseite.
     
    »Zuerst sollten wir uns mal ansehen, was auf dem Video der BVG zu erkennen ist, und dann mit dem Fahrer reden«, schlug Schneeganß vor. »Anschließend müssen wir uns wohl mit Jöllenbecks Privatleben befassen, wenn der überhaupt eins hatte.«
    »Hoffen wir, dass es Selbstmord war«, sagte Grätz.
    »Da haben wir keine Arbeit mit.«
    Doch die Videoaufzeichnung vom Bahnhof Bayerischer Platz brachte ihnen keinerlei Erkenntnisse darüber, was es denn im Falle Jöllenbeck wirklich war: ein Mord, ein Selbstmord oder ein Unfall. Es hatte einen kleinen Kampf gegeben, das schien festzustehen, jedoch war es nicht eindeutig zu erkennen, ob sich der Anwalt danach in

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