Promijagd
Klinke nach unten und rüttelte an der Tür. »Abgeschlossen.«
»Wie sollen wir herausfinden, ob einer drin steckt oder nicht?« Schneeganß fiel nichts Sinnvolles ein.
»Was tun?«
»Eine Rauchbombe reinwerfen«, sagte Grätz.
»Dann wird er schon rauskommen.«
»Willst du deine opfern?«, fragte Schneeganß.
»Nee, die brauch ich für das nächste Hertha-Spiel. Damit keiner sieht, was die wieder für ’n Mist spielen.«
Es blieb ihnen demnach nichts weiter übrig, als zu warten. Sie setzten sich auf die Treppe, die zum Nachbarhaus hinaufführte, und sonnten sich. Viel los war hier nicht. Die einzige Abwechslung brachte ein Österreicher, jedenfalls ließ seine Salzburger Autonummer darauf schließen, dass er einer war. Der Mann stieg aus und sah sich nach allen Seiten um.
»Wenn Sie Cordoba suchen und beten wollen, dann ist das diese Richtung hier.« Schneeganß zeigte nach Süden. Es war der Tag, an dem abends das Spiel Deutschland gegen Österreich stattfinden sollte, und alle Österreicher hofften, das Wunder von Cordoba würde sich wiederholen und man würde die Piefkes nach 30 Jahren wieder einmal besiegen.
Der Österreicher murmelte etwas Unfreundliches und stieg wieder in seinen Wagen, um Gas zu geben. Schneeganß und Grätz verkürzten sich die Wartezeit, indem sie sich stritten, wer die größten Chancen hatte, Europameister zu werden. Schneeganß sah die Niederländer als Favoriten, Grätz die Deutschen.
Kurz vor 15 Uhr kam ein junger Mann auf einem verrosteten Fahrrad die Urbanstraße entlang, hielt vor dem Bauwagen, stieg ab und machte Anstalten, das Gefährt zu entern. Sofort waren die beiden Beamten neben ihm.
»Sie sind der Richard Immelborn?«, fragte Schneeganß. »Der Ritchie?«
Voller Misstrauen und ganz auf Abwehr eingestellt musterte dieser den Fragenden. »Wieso?«
»Weil …« Schneeganß wollte einen längeren Vortrag darüber halten, weswegen er zu dieser Frage berechtigt sei, zückte jedoch der Einfachheit halber seine Marke. »Deswegen.«
»Also wegen Jöllenbeck.« Ritchie setzte sich auf die Treppe des Bauwagens.
»Du hast den gekannt?«, fragte Grätz.
»Du sagst es.«
»Seit wann duzen wir uns?«, fragte Grätz.
»Na, seit eben. Wie du mir, so ich dir.« Schneeganß nahm die Sache wieder in die Hand.
»Herr Immelborn, gut. Sie waren mit Bernhard Jöllenbeck eng befreundet?«
»Ist das verboten?«
Schneeganß ließ sich nicht provozieren. »Wenn Sie aus freiem Willen bei ihm waren, dann: nein. Und wenn er nicht auf dem U-Bahnhof Bayerischer Platz ums Leben gekommen wäre, würde sich kein Mensch für Ihre Beziehung zu Bernhard Jöllenbeck interessieren. Die Frage ist nun, wer Jöllenbeck vor den Zug gestoßen hat.«
»Der ist doch von allein gesprungen!«, rief Ritchie.
»Und woher wissen Sie das?«
»Das weiß ich eben.«
»Sie wissen es, weil Sie dabei waren«, sagte Schneeganß.
»Wir haben das Video der BVG«, fügte Grätz hinzu.
Ritchie grinste. »Andere sehen auch so aus wie ich.«
»Und wo waren Sie zu der Zeit, in der Jöllenbeck …?« Schneeganß nannte ihm die Daten.
Ritchie überlegte. »Wahrscheinlich hier im Wagen – oder unterwegs, den ›Straßenfeger‹ verkaufen.«
»Zeugen?«, fragte Grätz.
»Keine Ahnung.«
Schneeganß wollte nach Hause, Fußball sehen. »Nun gut, Herr Immelborn. Warten wir ab.«
»Sie nehmen mich jetzt mit?«
»Nein.«
»Dann ist ja gut.« Damit schloss Ritchie seinen Bauwagen auf und verschwand im Inneren.
18
Sören Fröttstädt hatte ein paar Tage Urlaub, und da war es das Schönste für ihn, zu Hause in Berlin zu sein und nicht fliegen zu müssen. Mitunter entwickelte er geradezu einen Hass gegenüber Menschen, die vom Reisen und von fernen Ländern schwärmten. Das dauernde Leben im Hotel hatte seine Fähigkeiten, sich selbst das Frühstück zu bereiten, ziemlich verkümmern lassen, und so blieb ihm nur der Gang ins Café, wenn er nicht Hunger leiden wollte. Es war kurz vor 12 Uhr mittags, als er sich auf den Weg zur Kottbusser Brücke machte, da er als Folge des Jetlags nach jedem Aufwachen sofort wieder eingeschlafen war. Er fand einen freien Platz an einem der Tische, die man nach mediterraner Sitte auf den Bürgersteig gestellt hatte, und gab seine Bestellung auf.
»Du siehst heute so traurig aus«, stellte die Studentin fest, die mit dem Notizblock vor ihm stand. Mara. Dass sie ihn duzte, bedeutete gar nichts, leider, hier duzten sich alle.
»Ich komme gerade von meiner eigenen Beerdigung«,
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