Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
Vom Netzwerk:
Dies und ihr Stil verwies darauf, dass es intelligente Menschen waren. Verblüffend war, dass der Schreiber des Briefes Namen und Adresse angegeben hatte. Das zeigte, dass er sich seiner Sache sehr sicher war und ausschloss, dass er, Fröttstädt, sofort zur Polizei lief. Offenbar glaubte er an einen stark entwickelten Selbsterhaltungstrieb bei seinem Opfer und war auf eine Art parasitäre Symbiose aus.
    »Da habt ihr euch bei mir aber gewaltig getäuscht!«, rief Fröttstädt, nun doch in einer Kurzschlussreaktion, und sprang auf. »Ich gehe zur Polizei und mache allem ein Ende!« Ihrem kriminellen Treiben und seiner Laufbahn als Pilot.
    Erst auf dem Weg zur Tür fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, wo sich das nächste Polizeirevier befand. Er setzte sich an den Computer, um im Internet nachzusehen. Die Gelben Seiten meldeten ihm: ›Innerhalb einer Entfernung von 50 km zu Berlin Kreuzberg wurden für Polizeireviere keine Brancheneinträge gefunden. Möchten Sie den Suchraum erweitern?‹ Er fühlte sich verhöhnt und hätte fast mit der Faust auf die Tastatur geschlagen, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Stattdessen öffnete er seine Whiskyflasche und nahm den ersten langen Schluck. Eventuell war es besser, gleich bei der Kripo anzurufen. Nur wo saßen die Fachleute für Erpressung? Am Platz der Luftbrücke, in der Keithstraße, in der Gothaer Straße?
    Fröttstädt zögerte, zum Telefon zu greifen und die Auskunft anzurufen. Anzeige zu erstatten und damit seine psychischen Defizite bloßzulegen, war sozialer Selbstmord. Warum nicht gleich richtigen Selbstmord begehen? Als Pilot war er ein penibel bürokratischer Mensch und setzte sich an den Tisch, um auf einem Blatt Papier die Möglichkeiten festzuhalten, die es dafür gab, und sich dann in aller Ruhe zu entscheiden. Bis fünf kam er: 1. Sich vor den Zug werfen (U- oder S-Bahn, ICE?); 2. Von einem Hochhaus springen; 3. Sich erhängen; 4. Tabletten schlucken; 5. Sich die Pulsadern aufschneiden.
    Als er fertig war, konnte er sich nicht entscheiden. »Ich bin es eben gewohnt, Anweisungen vom Tower zu bekommen«, spottete er über sich selbst. Dass er das in dieser Situation konnte, zeigte ihm an, dass nach wie vor genug Lebenskraft in ihm steckte. Nach einem weiteren Schluck aus der Flasche nahm er endgültig Abstand vom Selbstmord.
    Das Telefon klingelte, und er wusste, dass es dieser Völlenklee war. Er nahm den Anruf entgegen und wartete ab, was kommen würde.
    »Wir treffen uns in einer Viertelstunde vor der Buchhandlung in der Körtestraße«, sagte der Erpresser. »Gegenüber dem Eingang zu den Höfen am Südstern. Ich frage Sie: Glauben Sie, dass die hier auch was über die Pilotenausbildung haben? Und Sie antworten: Ja, etwas von einem Leon Völlenklee. Damit nichts schiefgeht werde ich meine Partnerin mitbringen, Corinna, nur dass Sie keinen Schreck bekommen. Bis gleich!«
    Fröttstädt stellte sein Mobilteil zurück in die Basisstation und glaubte einige Sekunden lang, die Welt würde sich in kosmische Nebel auflösen, und er mit ihr. Alles zerfloss zu einem Nichts. Wo war er? Wer war er? Er schloss die Augen, hielt sich am Türpfosten fest und dachte, dass er nun endgültig reif war für die Psychiatrie. Es erschütterte ihn nicht sonderlich. Eine Auszeit vom Leben war vielleicht die beste Lösung.
    Kurz darauf schrie es jedoch in ihm »Kämpfen! Kämpfen!«, und er machte sich klar, dass er bereits durch viele Gewitterfronten geflogen war und seine Maschine bei den schrecklichsten Scherwinden sicher zu Boden gebracht hatte. Der Alkohol tat sein Übriges, sodass er fast euphorisch in die Körtestraße eilte.
    Er war kein besonderer Freund von Krimis, wusste aber, dass man sich in solchen Situationen besser erst einmal bedeckt hielt. Deshalb lief er auf dem östlichen Bürgersteig der Körtestraße entlang und tat so, als wollte er zum Südstern. Wie zufällig ging sein Blick zur Buchhandlung hinüber. Da stand und wartete niemand. Somit lief er in normalem Fußgängertempo zur Hasenheide, machte dort kehrt und hielt auf dem Rückweg vor einem Spielwarengeschäft, dessen große Schaufensterscheiben ihm die Gelegenheit boten, unauffällig zu beobachten, was auf der anderen Straßenseite vor sich ging. Nach etwa zwei Minuten tauchte drüben ein Pärchen auf, das offensichtlich Ausschau nach jemandem hielt und vor der Buchhandlung Halt machte. Sie sah mit ihren kupferroten Haaren wie eine Künstlerin aus und wirkte eigentlich recht lebensfroh, er

Weitere Kostenlose Bücher