Pronto 1318
galt dem langen Haar. „Ich weiß längst, daß du ein natürlicher Telepath bist“, bestätigte sie. „Ich wußte es noch vor Professor Relatski.“
„Und Sie haben geschwiegen?“
„Warum hätte ich sprechen sollen? Man hätte alle Leute von deiner Art sofort umgebracht. Ich mag das nicht.“
„Sie könnten Vagens natürliche Tochter sein“, lächelte er. „Die gleiche Art, denke ich. Wir hatten Glück, daß Sie und der Alte im Labor P-132 waren. Woher wußten Sie, daß wir Telepathen sind?“
„Es lag in der Natur der Entwicklung. Relatski war ein fähiger Biologe, Er versuchte alles in euch hineinzupflanzen. Er gelang ihm zu gut.“
„Wieso konnten Sie es wissen?“ fragte er hartnäckig weiter.
„Ich fühlte es“, meinte sie ausweichend. „Damit sind wir aber bei meiner ursprünglichen Frage. Wie hast du den Wächter besiegen können?“
„Es interessiert Sie wirklich?“
„Sicher. Ich bin schließlich Medizinerin. Was war es?“
„Wir sagen ‚Vraazen’ dazu. Eine Eigenschaft, die ein Normalgeborener nicht hat. Ich habe sie, die anderen nicht. Ich scheine etwas außergewöhnlich zu sein.“
„Sie – du hast einen voll handlungsfähigen Wächter gezwungen, die Waffe auf sich selbst abzufeuern. Es war eine unsichtbare Kraft, die direkt auf den material-stabilen Körper der Pistole einwirkte. Wahrscheinlich sogar auf den ganzen Arm. Oder war es Suggestion, vielleicht auch Zwangshypnose?“
Er sah ihre gespannten Gesichtszüge, und da schüttelte er den Kopf. 2412 stand längst hinter ihnen. Er warf ironische Blicke.
„Nein, keine Hypnose. Auch keine Suggestion. Ich sagte Ihnen doch, daß ich ihn ‚vraazte’.“
„Ein seltsamer Ausdruck“, hüstelte die Ärztin. „So unwirklich, so fremd. Ich möchte sagen, daß Sie die Gabe der Telekinese entwickelt haben. Eine rein geistige Kraft, mit der man stabile Körper bewegen kann. Eine übergeordnete Kraft. Ist es das?“
„Vielleicht“, bestätigte er sinnend. „Ich kann es. Ich habe täglich geübt. Jede Minute, in der man mich in Ruhe gelassen hat, habe ich dazu verwandt. Vraazen ist etwas, was man nur durch einen Zufall merkt. Vielleicht ist es Telekinese, aber ich glaube es nicht recht. Ein kleiner Unterschied besteht doch, da ich zum Beispiel den Elektronenstrom in einer elektrischen Leitung wahrnehmen kann. Ich sehe das, verstehen Sie? Danach kann ich handeln. Ich forme die Kräfte um für meine Zwecke.“
„Vielleicht ist das Telekinese“, meinte sie sinnend. „Wir kennen nur den Begriff, nicht aber die Ursache. Etwas muß da sein, wovon ein bestimmter Gegenstand bewegt wird. Da es wissenschaftlich unhaltbar erscheint, daß der reine Wille eines befähigten Individuums im Direktverfahren eine solche Kraft aufbringen kann, ist es sehr viel wahrscheinlicher, daß eine direkte Einwirkung überhaupt nicht stattfindet. Ich könnte mir vorstellen, daß die überall vorhandenen Naturkräfte, also Schwingungen, Kraftfelder und was es sonst sein mag, lediglich beeinflußt und durch die Konzentration eines von Natur aus befähigten Willens gerichtet werden. Ich meine, daß Telekinese nichts anderes ist, als die zweckbestimmte und genau gezielte Beeinflussung natürlicher Umweltkräfte, die schließlich den direkten Effekt bewirken. Also ist die eigentliche Gabe indirekt. Verstehst du das?“
„Nicht übel ausgedrückt“, sinnierte er. „Das mag es sein, was ich Vraazen nenne. Wenn ich es tue, fühle ich, daß sich Kräfte ballen, einrichten und auf ein bestimmtes Objekt zufließen. So werde ich wohl nur indirekt handeln, nicht wahr? Ich glaube auch nicht, daß mein Wille alleine fähig ist, den Arm eines starken Mannes mit spielerischer Leichtigkeit gegen seinen eigenen Kopf zu lenken. Ich habe schon schwere Gegenstände angehoben und einmal mein kompliziertes Zellenschloß geöffnet. Ich habe die Kontakte innerhalb des elektronischen Mechanismus schließen können, und schon glitt die Tür nach oben.“
„Interessant, aber ich vernehme eben den Impuls eines Verletzten“, warf 2412 ablenkend ein. „Er ist ganz in der Nähe. Oh, er hört uns sogar sprechen.“
Pronto drehte sich um. Da empfing auch er die Wellen eines schmerzgepeinigten Hirns. Jemand versuchte mit aller Kraft, sich von einem lastenden Gegenstand zu befreien. Dieser Gegenstand behinderte seine Bewegungsfreiheit und fesselte ihn hilflos an den Boden.
Eine Welle der Furcht und des Hasses traf ihn. Gleich darauf wußte er, wer diese Sendung unbewußt
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