Prophetengift: Roman
marschierte nach nebenan und warf den Inhalt des Wäschekorbs in den Müllbehälter des Nachbarhauses. Mit verkniffenem Gesicht schaute sie zu, wie Brandons Sachen und alle Erinnerungen an ihre Beziehung neben fettigen Tüten, Kaffeesatz, zerknüllten Fastfood-Behältern und surrenden Fliegen landeten. Dann zog sie den Beutel mit ihren Küchenabfällen auf und leerte den Inhalt auf dem kleinen Berg von Brandons Sachen aus. Mit Zufriedenheit verfolgte sie, wie der mächtige Klumpen kalter Lasagne langsam in seine Lederstiefel rutschte.
Sie trottete über den Bürgersteig zurück, schob den Schlüssel in die Sicherheitstür ihres Wohnhauses und schleppte sich die Treppe zu ihrer Wohnung hoch. Aber als sie die Tür öffnete und hineinsah, fiel ihre momentane Hochstimmung in sich zusammen und sie kam sich plötzlich vor wie ein Unfallopfer, das zu einer unheilvollen Straßenkreuzung zurückkehrt.
Ich muss hier raus. Vielleicht zu Ellie?
Reed schnappte sich ihre Brieftasche, die Schlüssel und ihren Blackberry, der auf der Arbeitsfläche in der Küche lag, und eilte aus der Wohnung und die Treppen hinunter in die Garage, wo ihr Auto stand.
Dann fiel ihr plötzlich ein, dass Ellie ja heute Abend gar nicht zu Hause sein würde – ihr Vater oder ihre Mutter feierte Geburtstag. Mist!
Sie beschloss, stattdessen bei ihren Eltern in Ballena Beach zu übernachten und morgen bei Ellie vorbeizufahren. Sie konnten reden und etwas essen oder einfach am Strand spazieren gehen – das würde vielleicht alles wieder in die richtige Perspektive rücken, was sie dringend nötig hatte. Und vielleicht würde es ihr helfen herauszufinden, wie sie sich so hatte täuschen können
und was sie tun konnte, um ihre Trauer zu überwinden. Und obwohl sie nicht genau wusste, welche Richtung ihr Leben von jetzt an nehmen würde, eins wusste sie mit Sicherheit: Sie würde sich nie, nie wieder in eine solche Lage bringen lassen.
Ihre Schritte hallten wie langsamer, einsamer Applaus an den Betonwänden der Tiefgarage wider, als sie durch die unterirdische Parkanlage auf ihren himmelblauen Camry zusteuerte.
5
Mittwoch, später Vormittag
»Den Bentley oder den Cayenne, Mr Black?«
Sebastian war klar, dass es Kitty nur noch mehr gegen ihn aufbringen würde, wenn er sich mit ihrem kostbaren Bentley Continental absetzte, also entschied er sich für seinen eigenen, bescheideneren Wagen. »Den Cayenne.«
»Ist mir ein Vergnügen, Mr Black.« Der Angestellte sprintete davon.
Kurz darauf kam sein grau-metallicfarbener Porsche Cayenne Turbo mit den getönten Scheiben angerollt. Sebastian steckte dem jungen Mann ein paar Dollar zu, schwang sich auf den Fahrersitz und katapultierte sich in den Strom nachmittäglichen Verkehrs auf dem Wilshire Boulevard, der westwärts Richtung San Diego Freeway brauste. Die Auffahrt kam in Sicht. Da der Verkehr ungewöhnlich zügig floss, jagte Sebastian den Biturbo-V8-Motor hoch und drängte sich in die Einfädelspur.
Wo soll ich hin?
Er musste irgendwohin, wo Kitty ihn nicht finden würde, wo er sich in Ruhe überlegen konnte, wie seine nächsten Schritte aussehen könnten, ohne ihre Manipulationsversuche und endlosen Ansprüche an ihn. San Francisco! Die Familie seines Freundes Coby war vor Kurzem dort hingezogen. Bei Coby konnte er für ein paar Tage untertauchen. Er würde einfach der Ausschilderung folgen und sich Richtung Norden halten.
Als Sebastian sich durch die verknoteten Freeways geschlängelt hatte, die das urbane Los Angeles von der Peripherie der Stadt trennten, erklomm die Straße den Tejon Pass. Dahinter ging es steil an der Nordseite der Tehachapi Mountains hinab und die riesigen Agrarflächen des San Jaoquin Valley erstreckten sich vor ihm. Am Horizont ragten die Berge aus dem Tal himmelwärts wie urzeitliche Inseln, die aus einem ausgetrockneten Meer aufstiegen.
Die nächsten Stunden fuhr er an üppigen Weinstöcken, samtigen Erdbeerfeldern, Reihen schwer beladener Orangenbäume und öden Feldern vorbei, auf denen Telefonmasten sich von der Straße bis zum Horizont zogen wie Kreuze in Erwartung von Märtyrern.
Ist eins davon für mich bestimmt?
Sebastian sah, dass er tanken musste. Und da er das Mittagessen ausgelassen hatte und hungrig war, fuhr er – auf Empfehlung seines Navis, das sprach wie Mary Poppins – an der nächsten Ausfahrt von der Autobahn ab. Auf dem Schild stand:
Highway 46
James Dean Memorial Highway
Und er fragte sich: Wer ist James Dean?
Als er ein paar
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