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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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Schulgong ertönte.
    Keuchend stützte er beide Hände auf die Knie und dann bespritzte er den geteerten Schulhof mit seinem zusammengemischten Mittagessen.
    Das Trio zog japsend an ihm vorbei, lachte und zeigte mit den Fingern auf ihn.

    Sebastian schaute über das Lenkrad und sah, dass die Sonne eben hinter die westlichen Berge geglitten war. Er sollte sich wohl besser ein Nachtquartier suchen, überlegte er, denn der Kopf tat ihm weh, und er wollte nicht die ganze Strecke nach San Francisco durchfahren, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte.
    Er hielt am Straßenrand, um mit seinem iPhone nach Unterkünften auf dem Weg zu suchen. Das kleine Glasdisplay zeigte an, dass es mehrere Motels in Salinas gab, das er bald erreicht haben würde, aber er wollte noch mehr Meilen zurücklegen, bevor er übernachtete. In Big Sur gab es ein paar große, luxuriöse Hotels, aber ein nettes Hotel bedeutete auch mehr Gäste und
mehr Personal – und damit die sichere Entdeckung. Also scrollte Sebastian zum Ende der Liste, wo er die letzte Unterkunft im Küstenabschnitt Big Sur entdeckte: das Inn of the First Wharf.
    Das trostlose Miniaturfoto ebenso wie die lachhaft niedrigen Preise und die spärlichen Kundenkritiken reizten seine Neugier, also rief er dem Navi die Adresse zu.
    Kurz darauf kamen Marys forsche, knappe Anweisungen: »Fahren Sie dreiundsechzig Meilen weiter auf dieser Schnellstraße, dann nehmen Sie die zweite Ausfahrt rechts.«
    Seine Hand fand die kalte Milchflasche im Getränkehalter. Er griff danach, ließ das glatte, eiskalte Glas mehrmals über seine Stirn rollen, schraubte den Deckel ab und ließ den weißen, schaumigen Saft die Kehle hinuntergluckern. Ahhhhh.
    Dann trat er das Gaspedal durch und der Porsche Cayenne schoss wie eine Rakete von dem unbefestigten Bankett auf die im Zwielicht liegende Straße.

6
    Mittwochabend
     
    Gestärkt durch den Apfel und die Milch blieb er auf dem Highway 46 Richtung Norden, nahm dann den Highway 101 und schließlich den Cabrillo Highway, auf dem er Richtung Salinas weiterfuhr. Er passierte Cambria und bald darauf San Simeon. Und kurz nachdem die Nacht die Landschaft völlig verdunkelt hatte, instruierte Mary ihn, die nächste Ausfahrt zu nehmen, die schlicht mit »Küste« ausgeschildert war.
    Die zweispurige, wie eine Achterbahn gewundene Straße führte steil bergab, unter der Schnellstraße hindurch und dann oben an einer Steilküste entlang, unter der das nachtdunkle Meer lag. Die Straße schlängelte sich, tauchte hinab, stieg an und fiel wieder ab, bis Sebastian endlich auf das stieß, wonach er suchte. Vor einem Zufahrtsweg, der zu beiden Seiten von Bäumen gesäumt war und wie ein dunkler Tunnel anmutete, stand ein Holzschild mit abblätternder Farbe, auf dem zu lesen war: Inn of the First Wharf.
    Der Zufahrtsweg war unbefestigt und in den langen, tiefen Spurrillen standen erhebliche Mengen an Wasser, also schaltete Sebastian. Das Getriebe des Porsche Cayenne wechselte in den entsprechenden Gang und er begann im Schritttempo die matschige Piste entlangzukriechen.
    Die enge, holprige Schotterpiste schlängelte sich bergab, rechts begrenzt von einem steilen, überwucherten Berghang
und links von einer Schlucht. Endlich lichtete sich das Unterholz, die Straße wurde eben, und Sebastian fand sich auf einer breiten Asphaltfläche wieder und rollte auf ein Gebäude zu, das an ein Lagerhaus erinnerte. Die Holzschindeln schimmerten silbergrau im Licht des aufgehenden Mondes.
    Sieht aus wie eine Bruchbude ... aber zumindest werde ich hier meine Ruhe haben.
    Sebastian parkte am Eingang des Landgasthofs neben einem alten roten Buick LeSabre mit einem in Auflösung begriffenen weißen Schiebedach. Er stellte den Motor ab, schnappte sich seine Reisetasche und knallte die Wagentür zu. Als er im Mondlicht stand und seine Umgebung begutachtete, fielen ihm die Umrisse einer Kaianlage ins Auge, die direkt unterhalb des Landgasthofs zwischen den Wellen vor sich hin rottete, während Überbleibsel der Konstruktion in den ruhigeren Gewässern weiter weg vom Strand noch aufrecht standen.
    Alles war dunkel; es gab keine automatische Sicherheitsbeleuchtung, die sein Eintreffen angekündigt oder ihm den kurzen Gang zum Eingang der Herberge erleichtert hätte. Aber hinter den zugezogenen Vorhängen konnte er Licht und das flackernde, bernsteinfarbene Glühen eines Feuers erkennen.
    Er ging zum Eingang und klopfte.
    Irgendwo drinnen bellte ein Hund, aber niemand erschien.
    Sebastian

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