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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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lachte leise. »Und was ist mit den Stimmen und Visionen ...«
    »Das reicht«, sagte Sebastian warnend.
    »Ich rufe dir nur in Erinnerung, dass nur wenige Menschen auf der Erde diese Gaben besitzen.«
    »Das bedeutet noch lange nicht, dass ich bei diesem Zirkus mitmachen muss.«
    »Du bist Künstler, Sebastian, ein Entertainer! Du gibst den Menschen das, was sie brauchen, und dafür zahlen sie. Du bist weder besser noch schlechter als Elton John oder Madonna mit ihren lächerlich überteuerten Eintrittskarten. Das ist eben schlicht ... Kapitalismus, nur ohne die lästigen Steuern. Und ich werde dich nicht davon abhalten, das zu tun, was du lieber tun möchtest ... was immer das sein mag. Du bist jetzt volljährig, und es steht dir frei zu tun, was dir beliebt. Ohne Bedingungen.«
    »Genau das habe ich auch vor.«
    »Mein liebes Herz, jede Mutter weiß, dass ihre Söhne sich irgendwann selbst finden müssen. Aber bevor du gehst«, sie ergriff seine Hände, »muss ich dir noch etwas sagen ... das wird dich dazu bringen zurückzukommen, nachdem du deinen kleinen Selbstfindungstrip beendet hast.«
    Sebastian verdrehte die Augen.
    Sie atmete tief ein und stählte ihre Haltung. »Es sollte eigentlich eine Überraschung sein. Ich habe für nächsten Donnerstag ein Treffen mit dem Premierminister von La Serena vereinbart – diesem kleinen Inselstaat in der Karibik, von dem ich dir erzählt habe. Der Premierminister zieht ernsthaft in Erwägung, Evo-Love zur offiziellen Staatsreligion seines Landes zu erklären. Kannst du dir vorstellen, was für ein gewaltiger Schritt nach vorn das für uns wäre? La Serena wird das erste Land sein, das den Katholizismus als offizielle Religion abschafft und dafür Evo-Love wählt!«
    »Damit«, versetzte Sebastian mit einem anklagenden Blick, »kannst du sicher alleine fertig werden. Du bist schließlich der Bauchredner, ich bin nur die Puppe.« Er entzog ihr seine Hände und ging zur Wohnungstür. »Ich werde eine Weile von hier
verschwinden. Wann ich zurückkomme, weiß ich noch nicht genau. Also lass mir bitte ein bisschen Freiraum und such nicht nach mir.«
    »Und was bitte soll ich diesem Premierminister erzählen, und den Leuten vom Fernsehen?«
    »Sag ihnen« – Sebastian hielt kurz inne – »dass ich, wie jeder andere Messias, für vierzig Tage und Nächte in die Wüste gegangen bin.« Er griff nach der gepackten Reisetasche, die auf dem Sideboard im Flur lag, und schulterte sie.
    »Wenn du so besorgt um deine Sicherheit bist«, warf sie ihm an den Hinterkopf, »was ist mit mir? Hast du keine Angst, dass sie deiner Mutter etwas antun könnten?«
    Sebastian wirbelte herum und beugte sich hinunter, bis sein Gesicht dicht vor ihrem war. »Wenn ich mich richtig erinnere, erreichte Maria ein reifes Alter, bevor sie leibhaftig in den Himmel erhoben wurde«, sagte er. »Wohingegen man Jesus gekreuzigt hat.«

4
    Als die Morgendämmerung die elfenbeinweißen Wände ihres Schlafzimmers erhellte, zog Reed sich einfach die Bettdecke über den Kopf und vergrub ihr Gesicht im Kopfkissen. Sie hatte bereits beschlossen, heute nicht zur Uni zu gehen, und es würde schon ein Wohnungsbrand oder ein Erdbeben nötig sein, um sie aus der emotionalen Sicherheit ihres Bettes zu vertreiben.
    Ihr war einfach alles egal und der Kummer lastete wie ein schweres Gewicht auf ihrem Herzen.
    Kurz vor Mittag wankte sie aus dem Bett, um ins Bad zu gehen, und kehrte dann zu den einsamen Liebkosungen ihrer Laken zurück. Endlich, als es fast zwei war, mittlerweile gründlich angewidert von sich selbst, stand sie auf, aß zwei Teelöffel Hüttenkäse und stellte sich unter eine brühendheiße Dusche.
    Ich hasse ihn wurde ihr Mantra, als sie sich das Shampoo aus dem Haar spülte.
    Nachdem sie sich angezogen hatte, nahm sie ihren Plastikwäschekorb und fing an, methodisch alles einzusammeln, was irgendwie eine Verbindung zu Brandon hatte: seine Zahnbürste, seine Sportsachen, seine Jeans, die Motorradstiefel, Fotos, die letzte Geburtstagskarte, die sie von ihm bekommen hatte – alles, was nach seinem Besitz roch oder an ihn erinnerte. Dann brachte sie den vollen Korb zusammen mit dem prall gefüllten Müllbeutel aus der Küche nach unten. Sie wollte gerade alles in den bereits randvollen Müllbehälter des Apartmenthauses werfen, als
ihr klar wurde, wie sehr das Wissen, dass Brandons Sachen sich noch unter einem Dach mit ihr befanden, an ihr nagen würde. Die Müllabfuhr kam erst in zwei Tagen.
    Reed

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