Prophetengift: Roman
beim letzten Weihnachtsfest und Sebastian sah das mutwillige Glitzern in Libbys blauen Augen vor sich. »Etwas sagt mir, dass Libby in diesem Moment bei uns ist«, erklärte Sebastian mit einem wissenden Lächeln, als Maxi den Kopf hob – seine Hundemarke klirrte. »Genau wie Mateo heute irgendwie bei Ramon und Maggie sein wird.«
»Ich weiß auch, dass Libby hier ist.« Reed ließ sich auf der Armlehne von Tess’ Sessel nieder, legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. »Wir können sie nur nicht mehr wedeln hören.«
»Tess?«, fragte Sebastian sanft. »Wirst du damit klarkommen?«
Tess sah ihn nachdenklich an. »So traurig ich bin, so einsam ich mich fühle, und obwohl mir unser Haus so leer vorkommt, seit Libby nicht mehr darin herumwirtschaftet – ich weiß, dass es nur Trauer ist, was ich empfinde.«
»Wie meinst du das, nur Trauer?«, fragte Reed. »Für mich ist Trauer ein absolut lähmendes Gefühl.«
Tess schwieg nachdenklich, und dann erblühte langsam ein wehmütiges Lächeln auf ihrem Gesicht. »Mein Liebes, alles in diesem Leben, das etwas wert ist, hat seinen Preis«, erwiderte sie endlich. »Und Trauer ist schlicht der Preis, den wir törichten Menschen für die Liebe zahlen müssen. Und so untröstlich ich auch manchmal bin, weil ich Libby verloren habe – und einige unserer Freunde und sogar unsere Hunde –, wenn ich es abwäge, all diese Liebe gegen die Trauer, halte ich die Liebe immer noch für eines der größten Geschenke des Lebens.
Danksagung und Nachwort des Autors
Es gibt fast mehr Varianten von »Schneewittchen«, als sich zählen lässt, und einige der Versionen sind ziemlich grausig – das geht bis zu Inzest und Folter. Aber die grundlegende Geschichte bleibt gleich: Ein schöner junger Mensch verlässt wegen seiner Mutter, der bösen Königin, sein Zuhause und macht sich in die Wildnis auf, wo ihm etliche Zwerge Schutz und Gesellschaft gewähren. Die böse Königin erfährt durch ihren Zauberspiegel, wo Schneewittchen sich aufhält, verändert ihre Identität, und es gelingt ihr fast, Schneewittchen mittels eines vergifteten Apfels umzubringen. Doch Schneewittchen überlebt irgendwie den Mordanschlag und kehrt in ihr Königreich zurück, wo sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage mit ihrem Prinzen lebt.
Sebastian Black wird wie Schneewittchen als ein Mensch dargestellt, der mit Jugend und Schönheit gesegnet ist; seine »Überlegenheit« gegenüber anderen geht dabei allerdings so weit, dass er die Gabe der Hellsicht besitzt. Die »Zwerge«, denen er begegnet, sind Menschen, die von der Gesellschaft marginalisiert wurden; ihr sozialer Status ist, wenn man so will, »kleiner« als derjenigen, die in der Mainstream-Werbung und den Medien hochgejubelt werden. Reed (Bashful) ist eine passive junge Frau, die wegen einer anderen Frau verlassen wurde, Libby (Doc) ist eine ältere, unter einer tödlichen Krankheit leidende Lesbe, während ihre Lebenspartnerin Tess (Grumpy) eine pensionierte Sozialarbeiterin ist. Chuck (Sneezy) ist ein cleaner Koks- und Methamphetamin-Süchtiger, dem die Droge das
Gehirn verbrannt hat. Ramon (Happy) ist ein alter mexikanischer Tagelöhner mit einer kranken Frau, Coby (Dopey) mangelt es an Intelligenz und gesundem Menschenverstand, und Mateo (Sleepy) ist der im Koma liegende junge Schwule – das Vorbild für sein tragisches Schicksal war der grässliche Mord an Matthew Sheppard. Wir haben auch einen vergifteten Apfel (ein iPhone mit einem eingebauten Ortungssystem), und der Spiegel, der Kitty darüber informiert, wie sehr ihr Sohn bewundert, geliebt und angebetet wird – und über ihren eigenen Status als herrschsüchtige Zicke –, ist die Blogosphäre.
Es gibt auch einige offensichtliche Änderungen:
Nicht die Königin versucht ihr eigenes Kind zu vergiften, sondern Dyson und Olivier planen, Sebastian mit Visine-Augentropfen zu vergiften, die, soweit ich gelesen habe, irgendeine Substanz enthalten, die bei innerer Anwendung furchtbar giftig ist, ja sogar tödlich, besonders in Verbindung mit Alkohol (bitte nicht nachmachen!).
Etwas, das absolut nichts mit Schneewittchen zu tun hat, was ich mich aber genötigt fühlte einzufügen, ist die »Schwulen-Exorzismus-Szene.« Während ich dieses Buch schrieb, stieß ich auf einen Artikel über schwule Männer, die sich (vor allem im bibeltreuen Mittleren Westen) Schlägen und Demütigungen aussetzen, damit der »schwule Dämon« aus ihrem Körper ausgetrieben wird (Erbrechen und
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