Prophetengift: Roman
bevor Sie Ihren Geist vor der Wahrheit verschließen.«
Dyson lehnte sich zurück, die Arme trotzig verschränkt. »Da komm ich nicht mit.«
»Mein Freund, ich stimme Ihnen ja zu.« Oliviers Gesicht wurde von einem entwaffnenden Lächeln erhellt. »Dennoch bin ich auch spiritueller Humanist. Es gibt so viel Leid auf der Welt, es gibt zu viele Menschen, die gefoltert wurden, die traumatisiert sind, Hunger leiden oder Misshandlungen ausgesetzt sind. Ich kann nicht untätig daneben sitzen und mir vorstellen, wie sie den Prüfungen der Apokalypse ausgesetzt werden, ohne vorher Christus kennengelernt zu haben.«
»Und?«
»Wenn wir Sebastian Black nicht aufhalten, werden noch viel mehr Seelen für immer verloren gehen. Es wäre wie ...«, er blickte zur Gewölbedecke hinauf und richtete dann den eindringlichen Blick auf Dyson, »... ein Holocaust für Seelen. Es gibt Millionen, die vielleicht nie Erlösung finden werden, weil die Botschaft Christi auf so tragische Weise vom Buddhismus, vom Islam und anderen falschen Religionen, einschließlich jener, die sich absurderweise »Evo-Love« nennt, in den Hintergrund gedrängt wurde. Es ist immer die Mission meiner Familie gewesen, die weltweite Kirche Christi wiederherzustellen und zu vergrößern, so vielen Seelen wie möglich Orientierung zu geben – und erst dann zuzulassen, dass es zum Tag der Großen Abrechnung kommt.«
Dyson ließ sich das durch den Kopf gehen. »Es war also die Mission Ihrer Familie in den letzten zweitausend Jahren, die Apokalypse zu verhindern ... bis die richtige Zeit dafür gekommen ist ?«
»Jetzt begreifen Sie!« Olivier lächelte und sein atemberaubend weißes Lächeln erstrahlte im Halbdunkeln. »Und wir haben doch großartige Arbeit geleistet, oder?«
»Sie meinen, Ihre Familie ist schon mal in dieser Lage gewesen?«
»Mehrmals«, prahlte Olivier. »Dass beispielsweise Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orléans, bei Compiègne den Burgundern in die Hände fiel, zählt zu den größten Erfolgen meiner Familie.«
»Sie machen Witze.«
»Mein Freund, Gott erwartet von uns, dass wir unseren freien Willen und all unsere Mittel einsetzen, um seinen Plan voranzutreiben. Was glauben Sie, worauf stützte sich die Inquisition? Warum, glauben Sie, wurden so viele falsche Propheten getötet? Wir können nicht riskieren, dass es zum Jüngsten Gericht kommt, bevor die Zeit reif ist.«
»Aber woher wollen Sie wissen, dass die Zeit nicht jetzt gekommen ist – besonders, wo durch das Internet jeden Tag mehr Leben zerstört werden?«, fragte Dyson.
Olivier wirkte überrascht. »Was meinen Sie?«
»Pornografie«, Dyson duckte sich, als er das Wort aussprach. »Leute, die Ehebruch begehen, die widerwärtigsten sexuellen Praktiken – alles ist heute für jedermann frei zugänglich. Mit dem Internet hat die Hand Satans aus der Hölle emporgegriffen, und seine Anziehungskraft auf die Menschen ist nie stärker gewesen. Zudem glaube ich ...«, er leerte sein Glas bis auf den letzten Tropfen, »... je länger wir auf das Jüngste Gericht warten, desto mehr Menschen werden verloren gehen.«
»Sie sagen also, die Kirche Christi ist ein sinkendes Schiff«, fragte Olivier, »und es ist besser, jetzt sofort auf Gottes heiligen Rettungsbooten zu entkommen, als zu warten, bis wir völlig untergegangen sind?«
»Ja.« Dyson starrte ihn ehrfurchtsvoll an. »Genau das meine ich.«
»Und ... das Meiden von Versuchungen.« Olivier zögerte. »Ist das etwas, was Ihnen bekannt ist?«
Nervös wandte Dyson den Blick ab. Dann sah er Olivier fest an. »Äh, ja.«
Olivier schwieg kurz. »Ich glaube, wir Männer sind anfälliger gegenüber Versuchungen als Frauen. Deshalb hat Satan auch Eva Adam versuchen lassen und nicht umgekehrt; das Fleisch einer Frau ist nicht so ... hungrig wie unseres.«
Dyson lachte. »Also, da stimme ich Ihnen zu.«
»Aber was Ihre Sorgen wegen des Internets angeht«, fuhr Olivier fort, »ich glaube, diese Technologie kann auch ein Werkzeug Christi sein.« Er trat zu Dyson und nahm ihm das leere Glas aus der Hand. »Schließlich werden pornografische Bücher ebenso auf Papier gedruckt wie die Bibel, mein Freund. Es ist die Botschaft der Worte, die zählt.« Er kehrte zur Anrichte
zurück und füllte ihre Gläser neu. »In den letzten Wochen beispielsweise habe ich Sebastian Black und der Jezebel Warnungen per E-Mail über einen Proxy geschickt, damit ich anonym bleibe. Ich erinnerte ihn darin an Gottes Zorn und schilderte sehr
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