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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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laut brüllte und mit der rechten Faust gegen die billig getäfelte Wand von Paulinas Schlafzimmer schlug. Da er keinerlei Erfahrung mit derartigen Wutausbrüchen hatte und sein Gehirn ihm dummerweise verboten hatte, fremder Menschen Eigentum zu beschädigen, also zum Beispiel Paulinas Nachttisch durch den Raum oder aus dem Fenster zu werfen, brüllte er nach dem Schlag gleich weiter, diesmal vor Schmerzen, hielt sich die Hand und sprang ein paar Mal auf und ab, soweit seine schwachen Beine das zuließen. Danach rutschten ihm ein paar Flüche von den Lippen, die allesamt unter seinem Niveau waren, und als er damit fertig war, packte er noch ein paar weitere Flüche dazu.
    Dann riss er die Zimmertür auf und stampfte nach draußen. In den Regen. In den Dreck. Durch die dreckigen Rinnsale auf dem menschenleeren Kopfsteinhof. Er fühlte sich genauso beschissen, wie seine Umgebung aussah. Und wusste, dass seine Demütigung noch nicht vorbei war, denn nun musste er auch noch vor die Irren treten und sich entschuldigen. Weil er sie brauchte.
    Er. Sich entschuldigen. Wofür? Dafür, dass er ein Gehirn hatte? Dass er verantwortungsvoll gehandelt hatte, die ganze Zeit? Dass er Wissenschaftler war, kein geltungssüchtiger, notgeiler Fatzke wie Gerrittsen, kein eitler Machtmensch wie Eisele, kein naiver, blinder Weltverbesserer wie Mavie, Paulina oder Diego, keine arrogante Drecksau wie Milett? Ja, das war ein Grund, sich zu entschuldigen. Entschuldigt alle, dass ich nicht so beschissen bin wie ihr, wie klang das?
    Er holte tief Luft, atmete gründlich wieder aus und betrat die Diele des Haupthauses.
    Er war erleichtert, dass die Versammlung sich inzwischen aufgelöst hatte. Die Arbeitstische zur Rechten waren fast vollständig besetzt, einige der anderen Gaias gingen offenbar anderswo ihrem Tagwerk nach, draußen oder drüben in der Unterkunft, und am Kopfende des Tisches hockten nur noch fünf Revolutionäre zusammen – Diego, Paulina und die drei, die für die Produktion des SOS -Clips zuständig gewesen waren, Ansgar, Oskar und Nina.
    Alle fünf sahen in seine Richtung, als er eintrat, und alle fünf machten Anstalten, sich zu erheben – kampfbereit, abwehrbereit gegen den Eindringling, den Verräter.
    Aber Thilo hob beschwichtigend die Hände, setzte ein freundliches Lächeln auf und sagte, während er auf Paulinas Seite des Tisches näher trat: »Mea culpa. Sorry, Freunde, Schwester, Diego – Leute. Meine Schuld.«
    Er erreichte Paulina, blieb neben ihr stehen und sah Diego an, der am Kopfende des Tisches saß – und sitzen geblieben war.
    »Darf ich?«, sagte Thilo und deutete auf den Stuhl neben Paulina.
    Diego nickte. »Setz dich.«
    »Danke.« Er setzte sich. »Ich habe … überreagiert. Nein, völlig falsch reagiert. Ich bitte um Nachsicht, ich bin noch nicht ganz bei mir. Vermutlich ist mein Gehirn noch erschüttert oder sonstwie durch den Wind.«
    Diego nickte. Entschuldigung akzeptiert. Die anderen entspannten sich, Nina sah Thilo sogar an und lächelte kurz.
    »Ich soll euch grüßen«, sagte Thilo. »Von Leland Milett.«
    Diegos Blick schwankte zwischen Skepsis und Spott. »Leland Milett.«
    »Ja.«
    »Alter Freund von dir«, sagte Diego, jetzt ohne Skepsis. Es blieb viel Platz für den spöttischen Tonfall.
    »Nein. Freund einer Freundin. Der Frau, die das Ganze ins Rollen gebracht hat, Mavie Heller. Ich habe gerade mit ihr telefoniert, sie ist bei Milett …« Als Thilo telefoniert sagte, wechselten Ansgar und Diego einen Blick, aber niemand unterbrach ihn. »Und Milett bittet um die Daten.«
    »Wir reden vom gleichen Milett, ja?«, sagte Diego.
    »Ich hoffe«, sagte Thilo freundlich. »Ich rede vom Nobelpreis-Milett.«
    Die fünf wechselten Blicke. Fragende Blicke. Paulina warf ihrem Bruder einen Seitenblick zu und lächelte anerkennend, während die wortlose Besprechung der anderen endete.
    »Was will er mit den Daten?«, fragte Diego, und in seiner Stimme klang kein Spott mehr mit. Es blieb leise Skepsis, aber vor allem klang er beeindruckt, fast ehrfürchtig, und Thilo musste sich beherrschen, um nicht auszusprechen, was er nach dem kurzen Telefonat von Milett hielt.
    »Er wird heute Abend zur Welt sprechen.«
    Wieder wechselten die fünf Blicke.
    »Das wäre das erste Mal seit acht Jahren«, sagte Diego.
    »Ja«, nickte Thilo. »Weil er weiß, wie wichtig das hier ist. Unsere Sache. Eure Sache. Mavie hat ihn informiert, jetzt braucht er die Daten, bevor er an die Öffentlichkeit geht.«
    »Kann ich

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