Prophezeiung
Katastrophe epochalen Ausmaßes in Afrika, Mittelamerika und Asien, wir sprechen auch vom Ende der bipolaren Vereisung, nicht sukzessive, nicht bis 2030 oder 2100, sondern von eisfreien Polen noch in diesem Sommer sowie einer raschen, dramatischen Erwärmung der Weltmeere und der daraus folgenden Freisetzung von CO 2 in unvorstellbaren Mengen – weit mehr und weit rascher als in jedem Horrorszenario des IPCC . Woraus dann eine weitere Erwärmung folgt, über die bereits prognostizierten drei bis fünf Grad hinaus, und das langfristig. Das ist der Kern Ihrer Vorhersage, das ist die Grundlage für die Schätzung der Opferzahlen, und sofern Sie recht haben, dürfte diese Schätzung noch deutlich zu optimistisch geraten sein.«
»Wie ich schon sagte«, sagte Beck und klang einigermaßen lahm. »Es gibt einige Unsicherheitsfaktoren …«
»Ja, das sagten Sie bereits«, unterbrach Milett ihn. »Und ich gehe davon aus, dass Sie aus diesem Grund gemeinsame Sache mit Gerrittsen, Eisele und den Herren vom IICO gemacht haben. Dazu gestatten Sie mir die Bemerkung, dass Ihre Beweggründe wissenschaftlich hundertmal einwandfrei gewesen sein mögen – verantwortungsvoll haben Sie trotzdem nicht gehandelt. Erst recht, nachdem Sie wissen mussten, dass Gerrittsen und Eisele offenbar über Leichen gehen, um diese Wahrheit geheim zu halten.«
»Ich habe erst nach dem Tod der Journalistin begriffen, was vor sich geht«, sagte Beck. »Mit der Zurückhaltung des Instituts war ich einverstanden, ja, aber aus anderen Gründen. Wissenschaftlichen Gründen …«
Milett seufzte laut und brachte Thilo so zum Schweigen. »Ich brauche Ihre Daten, vollständig«, sagte er. »Sie werden mir nachsehen, dass ich Ihre Zweifel an der Gültigkeit der Prognose schon deshalb nicht teile, weil nicht nur Frau Heller, sondern erst recht das IICO keinerlei Zweifel zu hegen scheint. Persönlich empfinde ich keinerlei Sympathie für Gerrittsen und Eisele, aber beide sind ausgewiesene Fachleute. Sie hingegen kenne ich bislang nur als Telefonstimme, als Zweifler, als Helfer beim Vertuschen eines Verbrechens und als sehr unvorsichtigen Mann im Umgang mit hochsensiblen Informationen. Mir bleibt die Hoffnung, dass Sie von nun an Dinge richtig machen.«
Milett ließ die Worte nachhallen.
Das Handy lag still auf dem Tisch.
Mavie biss sich auf die Lippe und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war einfach link. Milett war großkotzig und link, ein absolutes Arschloch. Beck war in ihr Hotel gekommen, um sie zu warnen, er war mit ihr in die Luft geflogen, und sie konnte davon ausgehen, dass er seither nicht in der Lage gewesen war zu telefonieren. Offenbar hatte sein erster Anruf, nachdem er wieder hatte telefonieren können, ihr gegolten, und was er nun als Dank dafür serviert bekam, war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Aber sie schwieg. Milett hatte sie und Philipp unmissverständlich aufgefordert, sein Haus zu verlassen. Die Strafe hing drohend in der Luft, zur Bewährung, und sie wusste, dass er sie vollstrecken würde, wenn sie jetzt Partei für den unsichtbaren Beck ergriffe. Also biss sie sich auf die Lippen.
Das Schweigen dauerte eine Ewigkeit.
Dann sagte Beck: »Ich sorge dafür, dass die Daten auf einem Server bereitgestellt werden. Ich melde mich, sobald das bewerkstelligt ist, und gebe Ihnen den Code durch. Sie gestatten, dass ich Ihren Namen ins Spiel bringe?«
»Natürlich«, sagte Milett großzügig.
»Ich melde mich«, sagte Beck und legte auf, ohne sich zu verabschieden.
Mavie hätte am liebsten nach dem Handy gegriffen, ihn sofort wieder angerufen und sich wenigstens bei ihm bedankt, aber Milett sah nicht so aus, als hätte er Verständnis für höfliches Benehmen. Der Blick, mit dem er Mavie bedachte, war immer noch streng, aber nicht mehr wütend.
»Raus?«, sagte Mavie.
Milett lächelte mit dem linken Mundwinkel. »Nein«, sagte er. »Sie sind ja im Begriff, Wort zu halten. Also bleiben Sie an Bord.«
Sie nickte. Gut zu wissen. Sie war also binnen Minuten von der Planke seines Schiffes zurück an Bord gewinkt worden. Seines Schiffes. Hatte sie ernsthaft geglaubt, als stimmberechtigter Partner die Reise antreten zu dürfen?
Natürlich hatte sie. Aber wieder einmal sah sie sich zu höflicher Zurückhaltung gezwungen. Einstweilen.
»Danke«, sagte sie. »Und wohin geht die Reise, Käpt’n?«
Sie bemerkte Philipps kurzes Lächeln, aus dem Augenwinkel, und wenn sie sich nicht getäuscht hatte, war sogar Theo hinter dem
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