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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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war erst recht nicht ihre Welt. Denn der war nicht wieder aufgetaucht, sondern hatte seine Gäste sich selbst und dem Catering-Personal überlassen, während er hinter verschlossenen Türen mit seinem Stab tagte.
    Mavies Schritte hallten laut auf der Marmortreppe wider, als sie nach unten ging, morgens um halb acht, in das stille Haus. Die Tische waren weggeräumt, der Kommandostand der Fernsehleute ebenfalls, der Flur war menschenleer, die Tür zum Salon geschlossen. Aber als sie den Flur erreichte, hörte sie, unverkennbar, das leise Klappern von Fingern auf einer Laptop-Tastatur. Sie durchquerte den Flur, trat vor die nur angelehnte Bibliothekstür und klopfte vorsichtig an.
    »Entré«, murmelte eine Männerstimme von drinnen, untermalt von fortgesetztem Klappern.
    Mavie schob die Tür auf und sah Jean-Baptiste Reveilliere auf dem Zweisitzer hocken, leicht vornübergebeugt, einen Laptop auf den Knien. Auf dem Couchtisch vor Miletts wichtigstem Klimaexperten standen ein Teller mit zwei Croissants, die er nicht angerührt hatte, und eine große leere Milchkaffeeschale.
    »Bonjour«, sagte Mavie lächelnd.
    Reveilliere sah auf. Müde, irritiert und unwillig. Aber als er sie erkannte, lächelte er und erwiderte ihren Gruß. Sie blieb beim Französischen und fragte ihn, ob Theo schon wach sei.
    Er wies auf das Sofa und schob den Teller mit den Croissants über den Tisch, auf die andere Seite zu. »Das können Sie jedenfalls gern schon haben, Mademoiselle, es ist unberührt.« Dann beugte er sich nach rechts, zu dem Beistelltisch neben dem Zweisitzer, und drückte auf einen Knopf an der Gegensprechanlage. »Theo?«
    Theo antwortete prompt, untermalt von lauten Geräuschen, Rauschen und Brutzeln, offenbar aus der Küche. Reveilliere bestellte Kaffee für sich und Mademoiselle Heller, Theo versprach, umgehend zu servieren.
    Mavie hatte auf dem Sofa Platz genommen. »Und bestellen Sie sich noch ein Croissant«, sagte sie. »Die hier sind nämlich gleich weg.«
    Reveilliere lachte, drückte noch einmal auf den Knopf und tat, wie ihm geheißen.
    »Lange Nacht?«
    Er seufzte. »Sieht man das?«
    »Nur ein bisschen«, log sie. Denn er war nicht nur unrasiert und rotäugig, sondern auch blass wie eine frisch gekalkte Wand.
    Er stellte seinen Laptop auf den Tisch und rieb sich mit beiden Handflächen energisch über das Gesicht, über die Augen, die Stirn. »Ja«, sagte er. »Ja, es war eine lange Nacht. Oder eine kurze. Jedenfalls haben wir nicht geschlafen.«
    »Sie alle?«
    »Lee und ich. Aldo ist irgendwann schlafen gegangen, um drei, denke ich, Goran schon vorher. Aber Lee schläft ja nicht. Und wir hatten … Diskussionsbedarf. Es ist ja viel passiert.«
    »Dürfen Sie mir verraten, was?«
    Er sah sie erstaunt an. »Wieso denn nicht?«
    »Oh«, lächelte sie, »ich hatte den Eindruck, dass der Kreis der Vertrauten sehr eng ist.«
    »Aber Sie gehören doch dazu.« Er lächelte müde, beugte sich vor, klickte und klapperte über seine Tastatur, sagte »ah«, und las: »… hat das streitbare Weltgewissen sich glücklicherweise mit einem Kreis von renommierten Experten umgeben, auf denen die Hoffnungen der Welt nun ruhen. Umso mehr, als in Miletts Stab endlich auch die Frauen der Welt repräsentiert sind, nämlich durch die Frau, die den IICO -Skandal erst ans Licht der Öffentlichkeit brachte, die deutsche Klimatologin Mavie Heller.« Er sah auf. » Guardian von heute. Ein kleiner Seitenhieb gegen Lee, aber sonst hat Harris nur anerkennende Worte gefunden. Und dramatische, selbstredend, wie alle anderen Blätter.«
    Mavie nickte. Die Frage schoss ihr durch den Kopf, ob sie je in ihrem Leben wieder über wenigstens einen Teil ihres Gehalts würde verfügen dürfen, falls die IICO -Anwälte zufällig den Guardian lasen, aber der Gedanke war sofort wieder weg, ausradiert als irrelevant. Auch die IICO -Anwälte hätten demnächst Wichtigeres zu tun, selbst wenn sie beschlossen, nicht an der Rettung der Welt mitzuwirken, sondern bloß die Firmenserver zu löschen und jede Paper Trail zu schreddern.
    »Das wollten Sie bestimmt immer.« Reveilliere lächelte freundlich. »Die Frauen der Welt repräsentieren.«
    Mavie lachte. »Natürlich. Genau das. Seit ich auf der Welt bin.«
    »Sie sind am Ziel.«
    »Wunderbar. Und wobei repräsentiere ich jetzt alle Frauen?«
    »Bei der Rettung der Welt.«
    »Ja, das habe ich schon Mrs Harris’ Worten entnommen. Aber wie ist der Plan?«
    Theo schwebte lautlos neben den Tisch und stellte

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