Prophezeiung
Becks Arm, drehte ihn leicht nach außen und zog scharf und mitfühlend etwas Luft ein.
»Kannst du aufstehen?«, sagte sie.
Beck nickte, umfasste seinen verletzten Arm mit der unversehrten Hand und ließ sich von der jungen Frau auf die Knie und dann auf die Beine helfen.
»Keine Sorge«, sagte sie. »Wir kriegen dich wieder hin. Das da«,deutete sie auf seinen Arm, »kriegt meine Mom genäht, und an Verbandszeug haben wir alles im Haus.«
Er nickte dankbar und hörte sich das Allerwichtigste aussprechen, ehe er auch nur darüber nachdenken konnte, welchen Eindruck das machen würde. »Großartig«, murmelte er gegen die Schmerzen an. »Habt ihr auch WLAN ?«
Den entgeisterten Blick des Mädchens untermalte ein hysterisches Grunzen von Oskar. Der Grauhaarige war so freundlich, ihn trotzdem nicht zurück in den Schlamm fallen zu lassen.
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53 Wäre irgendjemand eine halbe Stunde nach Mavies unehrenhafter Entlassung mit einer Frage nach ihrem Verbleib auf Leland Milett zugekommen, hätte der Nobelpreisträger den Frager bloß irritiert angesehen. Nicht nur, weil er nicht wusste, wo Mavie war, sondern weil er sich zu diesem Zeitpunkt schon kaum mehr an ihren Namen erinnerte. Was nicht nur daran lag, dass Leland Milett Namen von Menschen, die ihm und seinen Zielen nicht mehr nützen konnten, grundsätzlich binnen Sekunden aus seinem Gedächtnis strich, sondern auch daran, dass er mit einem weit wichtigeren Problem beschäftigt war. Allerdings nicht mehr mit der Frage, wie er die Versammlung von seinem kühnen Plan überzeugen sollte, umgehend den Emi Koussi nuklear in die Luft zu jagen, denn zu seiner erfreuten Überraschung hatte Fritz Eisele dieses Problem tatsächlich bereits gelöst. Der befürchtete Widerspruch der Versammelten hatte sich in verblüffend engen Grenzen gehalten, die Regierungen der EU signalisierten Professor Eisele und Nobelpreisträger Milett ihre bedingungslose Unterstützung, und offensichtlich hatte man sogar die US -Amerikaner binnen der wenigen Tage, die seit Bekanntwerden des Horrorszenarios vergangen waren, als Unterstützer gewonnen. Oder wenigstens erreicht, dass sie jedes Wissen von dem Plan leugnen und zunächst nicht intervenieren würden, sollten die Europäer, angeführt von Franzosen und Engländern, auf eigene Faust handeln – ohne Zustimmung der UNO .
So rasch und reibungslos gingen hinter den Kulissen, vor denBlicken insbesondere der Inder und Chinesen verborgen, die Vorbereitungen für einen Verstoß gegen jedes Völkerrecht vonstatten, dass sogar Milett bass erstaunt war. Eiseles Rückzug aus der Versammlung, nach einer knappen Stunde gemäßigter Debatte, in ein privates Büro am Ende des zum Versammlungssaal führenden Korridors war in Miletts Augen nur zu verständlich. Die Zeit drängte, es gab viel zu besprechen und zu verhandeln, und Eisele hatte dem Nobelpreisträger unter vier Augen noch einmal versichert, er werde sich weiterhin im Hintergrund halten und ganz gewiss nicht nach dem gelungenen Abschluss der Mission reklamieren, die weltrettende Aschewolke sei seine eigene Idee gewesen. Mehrfach hatte er Milett versichert, er selbst, geläutert durch etliche Erkenntnisse der vergangenen Jahre, bedaure die vergangenen Missverständnisse und wisse inzwischen sehr genau, wem Ruhm und Ehre gebührten, nämlich in diesem Fall ausschließlich Leland Milett.
Was Leland Milett natürlich genauso sah.
Die letzten Hindernisse, so Eisele, würden gerade beseitigt, auf politischer Ebene. Und selbst in Sachen lästiger Grassroots, fügte er hinzu, sprich Gaia-Kommandos und anderer unangenehmer Störungen, seien alle Probleme praktisch schon gelöst.
Was Milett natürlich ebenfalls freute.
Aber nachdem Eisele aus der Versammlung verschwunden war, um sich weiter um den genauen Ablauf des beschlossenen »friedlichen Nuklearschlages« zu kümmern, war Milett klar geworden, dass er ein ernstes Problem hatte. Nichts Nebensächliches wie Regen oder Dürre, Schlamm, Zecken, Quallen oder geladene Waffen, die ihm irgendwelche Menschen an den Kopf hielten, sondern etwas wirklich Existenzbedrohendes.
Genauer, er hatte etwas ganz Wesentliches vergessen.
Theo.
So selbstverständlich war ihm die tägliche Gegenwart seines Helfers geworden, dass er am Morgen gar nicht darüber nachgedacht hatte, dass Theo ihn diesmal, zum ersten Mal, solange er zurückdenken konnte, nicht begleiten würde. Was das bedeutete, fiel ihm aber erst auf, als Eisele den Raum verlassen hatte und seine,
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