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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Nobelpreisträger stand fest und gerade zwischen denen, die er von nun an zu führen hatte, ein Fels in der Brandung, ein kosmisches Gestirn.
    »Alles«, las der Polizist, »ist präzise vorbereitet, die Völkergemeinschaft steht geschlossen hinter uns und unserem Vorhaben, die Sprengung des Emi Koussi wird die prognostizierte Katastrophe abwenden. Lasst euch von nichts und niemandem von diesem Weg abbringen, denn er ist der einzige Weg, der uns Erlösung verspricht. Lasst den Wind die Asche verteilen und unserem Planeten die Abkühlung bringen, nach der er sich sehnt. Lasst den Wind unsere Erlösung sein.«
    Der Polizist ließ den Zettel sinken.
    Jetzt sah auch er Milett an.
    Und Milett stand schweigend. Stoisch.
    Hinter seiner stolzen Stirn um einen klaren Gedanken bemüht.
    Irgendeinen.
    Die Tür des Büros wurde von innen geöffnet, und die Weißkittel verschafften sich Platz für den Abtransport ihres ehemals lebendigen Gepäcks. Direkt an Milett vorbei trugen sie den Leibwächter voran durch das sich teilende Menschenmeer, gefolgt von Eiseles Leiche.
    Miletts Gedanken rasten. Leland Milett wird euch führen. Die Sprengung des Emi Koussi wird die prognostizierte Katastrophe abwenden.
    Genau.
    Er hatte gewonnen. Recht gehabt, immer. Und behalten.
    Die prognostizierte Katastrophe.
    Prognostizierte.
    Hatte Eisele, bevor er seinen letzten Auftrag an ihn, Milett, formulierte, Gerrittsens Anklage noch gehört? Und was genau, fragte Milett sich, hatte der eigentlich gesagt? Oder gemeint?
    Und spielte das noch eine Rolle? Nein.
    Prognostizierte Katastrophe. Verhindern.
    Was stimmte nicht an diesem Zusammenhang?
    Leland Milett wünschte sich zurück in den Waschraum. Nur kurz. Um sich mit dem Rest seiner Ration wieder ganz wach und klar zu bekommen.
    Die Weißkittel trugen Eiseles Leiche direkt an ihm vorbei. Zum Greifen nah.
    Und Leland Milett zweifelte für einen Sekundenbruchteil an seinem Verstand, als sein benommenes Gehirn ihm einzureden versuchte, es habe eben wahrgenommen, dass der kleine Finger an der bleichen Hand, die direkt vor seiner vorbeischwebte, sich bewegt hatte.
    Milett riss sich zusammen. Und laut hallte seine Stimme durch den Korridor, über die Leichen hinweg, mit den einleitenden Worten: »Meine Herren, ich darf Sie zurückbitten in den Versammlungssaal. Bei allem Entsetzen über das, was wir hier erleben: Vergessen wir nicht, weshalb wir hier sind. Besinnen wir uns darauf, was jetzt von alles entscheidender Bedeutung ist.«
    Und das, wurde Leland Milett in diesem Augenblick schlagartig sonnenklar, war die Rettung seines exzellenten Rufs.

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    59 Nichts stimmte. Sie konnte nicht in der Hölle gelandet sein, denn dort wäre sie kaum jenen begegnet, die sie zu Hunderttausenden auf dem Gewissen hatte. Ihren Opfern, schwarzen Frauen und Kindern, würde sie nicht im Fegefeuer begegnen.
    Im Himmel konnte sie aber erst recht nicht sein, denn dort hätte sie nichts verloren und erst recht keine höllischen Schmerzen. Zudem musste im Himmel das Wetter besser sein, sofern es dort überhaupt Wetter gab.
    Dass sie noch immer lebte, sah sie allerdings nicht sofort ein. Denn nichts von dem, was sie spürte, sah und hörte, wollte sie spüren, sehen oder hören. Als sie das erste Mal wieder zu sich kam, für einen Augenblick, war alles schwarzgrau und verschwommen. Schwarzgraue Gesichter, schwarzgrauer Himmel, schwarzgraue Stimmen. Feuerrot, lichterloh, waren nur ihre Schmerzen, überall.
    Als sie zum zweiten Mal wieder zu sich kam, sah und hörte sie etwas mehr. Das Geräusch des Dieselmotors, die Wellen, die gegen die Seiten des Bootes schlugen, das Prasseln des Regens. Philipps Stimme, undeutlich, von weiter weg. Englisch. Zu ihrer Linken, starr nach vorn blickend, Karla, Max im einen Arm, die benommene Hannah im anderen. Edwards Hinterkopf, drei Meter vor ihr, verschwommen. Vor ihrem Vater eine schwarze Frau, reglos, aber mit offenen Augen. Drei Kinder. Apathisch. Edwards Hand, einem der Kinder sanft über die Haare streichelnd. Das Kind lächelte nicht.
    Sie schrie leise auf, als jemand ihr eine glühende Eisenstange von oben auf die Schulter drosch, zuckte zur Seite und begriff nur sehr langsam, durch einen Schleier aus rotem Schmerz, dass die Eisenstange keine gewesen war, sondern bloß die sanfte Berührung von Philipps Hand auf ihrer Schulter.
    »Shhh«, sagte er und ließ eine ganze Reihe entschuldigender Laute folgen. »Bleib bei mir.«
    Sie sah ihn verständnislos an. Sein Gesicht blieb unscharf,

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